Radikal
sicher nicht beschweren. Dann stiegen sie einer nach dem anderen die Leiter hinab, die in das warme Wasser führte, es war schließlich eine sehr warme Sommernacht im Dezember. Hoch über dem Schiff stand das Kreuz des Südens, bemerkte Samson noch, als er wie ein Korken auf dem Wasser treibend seinem Buddy , der noch an der Reling stand und als Nächster ins Wasser steigen würde, das O. k.-Zeichen gab.
Als alle Taucher im Wasser waren, ließen sie nach und nach dieLuft aus ihren Tarierjackets entweichen und sich unter die Wasseroberfläche sinken. Und kaum hatten sie sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt, erkannten sie, warum Sebastian, der Kapitän, sie gerufen hatte. Denn Sebastian hatte bemerkt, dass ein großer Schwarm Makrelen sich dem Boot genähert hatte. Er verbrachte schon seine elfte oder zwölfte Saison auf dem Schiff, und darum hatte er die Zeichen richtig gelesen und gewusst, was das bedeutete: dass die Fische gejagt wurden. Die Makrelen, hatte Sebastian weiter richtig vorausgesehen, der in dieser Nacht selbst nur mit einer Schnorchelausrüstung ins Wasser stieg, weil er wusste, dass er beim Schnorcheln genug mitkriegen würde, die bedrängten Makrelen würden nun am Rande des Riffes, vor dem das Tauchboot lag, einen riesigen, lebenden Ball aus abertausenden silbern glitzernden Leibern formen.
Es war eine perfekte Falle.
Zuerst kamen die Thunfische, die den Makrelen hintergejagt waren, wuchtige, vor Kraft pralle Körper. Ihnen folgten die Haie. Dutzende Haie, von denen Sebastian, wie er später zugab, nur gehofft, aber nicht gewusst hatte, dass sie kommen würden. Und das waren andere Haie als die Blacktips und Whitetips, die innerhalb des Riffs lebten und die, so hatte Sebastian es gesagt, »nur beißen, wenn man ihnen die Hand in den Mund legt und auf den Oberkiefer haut«. Nein, was Samson und die anderen nun beobachten konnten, waren drei Meter, vier Meter, fünf Meter lange Haie, und im fahlen Licht der Unterwasserlampen konnte Samson sehen, wie sie sich gemeinsam mit den Thunfischen über die Makrelen hermachten, deren aus Leibern geformter Ball zu pulsieren und zu zucken schien, sich plötzlich aufblähend und ebenso blitzartig wieder zusammenziehend, am Riffrand entlangwandernd, wie Millionen Quecksilberperlen.
Die Haie kreisten in weiten, konzentrischen Bahnen, ein Teil von ihnen näher an der Oberfläche, andere näher am Meeresgrund, einige schwammen im Uhrzeigersinn, andere entgegengesetzt, Samson konnte ihre Zahnreihen sehen, es war ein Mahlwerk des Todes, aber jeder tötete für sich allein: Ein Hai brach plötzlich aus, stieß blitzschnell zu, so einfach war es, was sollte ein Hai auch fürchten.
Samson erinnerte sich, dass er darauf wartete, dass das Wasser sich rot färben würde. Doch dann fiel ihm ein, dass Fische nicht bluten.
Nach einer halben Stunde war das Schauspiel vorbei, und die Taucher befanden sich wieder an Bord des Schiffes. Aber ins Bett zurück ging niemand. Die Mannschaft, die aus Sebastian, ein paar Handlangern, dem Koch und einem halben Dutzend Tauchlehrerinnen und Tauchlehrern bestand, von denen keine zwei aus demselben Land stammten, versammelte sich wie auf ein stilles Kommando auf dem Oberdeck. Die Taucherinnen und Taucher, jetzt in Bikinis und Badehosen, folgten ihnen und setzten sich ebenfalls auf die Holzbänke und an die Holztische, auf denen zu Aschenbechern umgewidmete Tomatenmark-Dosen standen. Sebastian las die Stimmung richtig. »Mach die Bar noch mal auf, Quentin!«, rief er mit seiner dröhnenden Stimme dem Koch zu, und Quentin, ein Mann wie ein Baum, lachte wissend, schüttelte den Kopf und tat wie geheißen.
Vom Oberdeck aus waren ab und zu immer noch Umrisse von kreisenden Haien auszumachen, wenn man über die Reling blickte, denn Sebastian hatte eine der Lampen zu genau diesem Zweck im Wasser belassen. Wer will reden, wenn er in einer Sommernacht im Südpazifik auf einem sanft schaukelnden Schiffsdeck steht, und unten Haie sieht und oben das Kreuz des Südens? Ein Bier, eine Zigarette vielleicht, ein paar leise Worte, und die Hände fanden einander in jener Nacht von ganz alleine. Als ein paar Stunden später der Morgen zu grauen begann, hatte jeder auf dem Schiff Sex gehabt und Sebastian zweimal. Samson schlief in einer engen Kajüte mit einer Französin, die ihre Flitterwochen auf dem Tauchschiff verbrachte, weil ihr Mann mit einer der beiden skandinavischen Tauchlehrerinnen verschwunden war. Und am nächsten Morgen, als Quentin dicke
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