Radio Heimat
»Akropolis Grill«, und hier traf ich den großen Fritteusen-Melancholiker, einen für diesen Job ungewöhnlich hageren Griechen, der dann und wann sogar in seiner Pommesbude übernachten musste, wenn er Knies mit seiner Frau hatte, die genug vom miesen deutschen Wetter hatte und sich nach dem blauen Himmel über Heraklion zurücksehnte.
Eines Nachts suchte ich mal wieder das verdammte Schlüsselloch meiner Haustür, das immer mal wieder entwendet wurde, als der hagere Grieche, ebenfalls jenseits der Fahrtüchtigkeit, die Straße heraufgewankt kam und mich zu einem Schlummertrunk in sein Unternehmen einlud. Da saßen wir dann unter dem ausgeschalteten Spielautomaten und tranken aus einer Mineralwasser-Flasche der Marke »Brohler« griechischen Selbstgebrannten, der einen verhängnisvollen Angriff auf meine Mundschleimhäute ritt, aber, dachte ich, man kann ja diesen Naturvölkern nichts abschlagen. Die ganze Zeit ging mir dieser alte Slogan im Kopf herum: Trink Brohler, dann wird's dir wohler! Ich konnte das nicht bestätigen.
Im nüchternen Zustand konnte es geschehen, dass der hagere Grieche an der Fritteuse stand, die Pommes im siedenden Fett schüttelte und murmelte: »Immer nur Kalorien, Kalorien, Kalorien!« Nicht gerade verkaufsfördernd.
Heute lebe ich natürlich viel gesünder. Manchmal aber muss es sein: Currywurstpommesmayo, ganz schnell und im Stehen. Gehört schließlich zur kulturellen Identität.
Watt der Mensch braucht, datt musser haben!
Ein nicht geringer Teil des Lebens im Ruhrgebiet spielt sich in Stammkneipen ab. Für mich war das Thema Stammkneipe allerdings erledigt, als Siggi dichtmachte. Offiziell hieß die Kneipe »Zum Sportfreund«, aber eigentlich sagte man nur: Wir gehen zu Siggi.
Der Sportfreund (übrigens: ohne s hinter dem t!) lag direkt gegenüber unserer Schule, weshalb manche ihn auch »Raum 331« nannten, da nach der Fertigstellung des Neubaus die Zählung bei 330 aufhörte. Das Publikum bestand aus »normalen« Stammkneipengästen, zu denen Anwohner und langjährige Bekannte der Wirtsleute zählten, Schülern, Mitgliedern der Jugendgruppen der nahegelegenen Propsteikirche und Basketballern des VfL Bochum, deren Pokale auf dem Regalbrett über dem Stammtisch aufgereiht waren. Das ergab eine bunte Mischung, die es so nur in wenigen der klassischen Eckkneipen gab und gibt.
Die Inneneinrichtung hatte sich seit 1947 nicht verändert. Einmal im Jahr wurde gestrichen und Anfang der Siebziger ein Flipper angeschafft. Trat man durch die Tür, hinter der im Winter ein schwerer, dunkelroter Filzvorhang mit Lederbesatz am unteren Ende den Wind einfing, hatte man linker Hand gleich den Gang zum Klo, dann den Flipper, den Eingang zum Hinterzimmer und schließlich den kurzen Tresen mit Handlauf, Fußstütze und vier einfachen Holzhockern. Der Tresen endete in einer Glasvitrine, oben drauf ein Spendenschiff der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
In der Vitrine wurden ab morgens die von Frau Wirtin handgemachten Frikadellen auf einem weißen Teller gestapelt. Daneben ein paar der unvermeidlichen Mettbrötchen, die aber nicht lange dort standen, sondern meistens frisch gemacht wurden. Eine Riesenbockwurst mit Kartoffelsalat rundete das Speisenangebot ab. Die Riesenbockwurst trug ihren Namen zu Recht, wurde aber kneipenintern nur »Jungferntraum« genannt. Was selbstredend zu einigen unanständigen Spaßen anregte. Dabei taten sich beileibe nicht nur spätpubertäre Rohlinge hervor. Die leicht angetrunkene Frau eines Basketballtrainers kommentierte den Eumel dereinst mit den Worten: »Davon träumen nich nur Jungfern, datt kann ich euch flüstern.« Was ihrem Mann aus diversen Gründen ein bisschen peinlich war.
Von Hause aus schon nicht zur Edelküche erzogen, war ich jedenfalls durch Frau Wirtins Frikadellen, Bockwürste und Mettbrötchen endgültig für die Haute Cuisine verloren.
An der Stirnseite war gleich neben der Vitrine ein Spielautomat angebracht, weiter rechts stand der große Stammtisch mit Eckbank, darüber, dort, wo sich in Bayern der »Herrgottswinkel« befindet, ein Fernseher, auf dem samstags die Sportschau lief.
An der Fensterseite vier einfache, quadratische Tische mit karierten Decken, daran jeweils vier einfache Holzstühle. Stilistische Zurückhaltung war hier nicht Programm, sondern selbstverständlich.
Auch das Hinterzimmer war nicht groß, bot aber, wenn man sich quetschte, bestimmt fünfzig Leuten Platz. Der Sportfreund war eine Kneipe
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