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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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hinausgekommen sind, die in die weite Landschaft führt. Während sich an die anderen drei Seiten des Hofes Straßen, weitere Gehöfte und Dörfer anschließen, liegen in dieser Richtung nur Felder und Wege, die zu langen Spaziergängen in der unberührten Natur einladen. Abu arbeitet mit Elisa im Garten. Dort, wo noch vor ein paar Tagen nichts als umgegrabene Erde und hier und da ein dürrer Trieb zu sehen waren, erheben sich inzwischen üppig wuchernde Artischocken, Broccoli, Peperoni und Zucchini. Heute ist ein Tag zum Ausspannen, und ich will nicht zweifeln, sondern glauben, dass die Erde hier besonders ertragreich ist. Auf jeden Fall mindestens so ertragreich wie Abus Unternehmungsgeist.
    Wir schwingen uns mit der Absicht auf den Sattel, mögliche Fahrradwanderwege für unsere Gäste ausfindig zu machen. Claudio hat seinen Fotoapparat mitgebracht, um die Fauna zu registrieren. Mithilfe des Internets will er eine Tafel anfertigen und darauf dokumentieren, wie und woran die verschiedenen Spezies im Wandel der Jahreszeiten zu erkennen sind. Wir genießen das Panorama, das sich unseren Augen bietet. Auch der Blick zurück in Richtung unseres Anwesens ist zauberhaft und belohnt uns für die geleistete Arbeit.
    Wir überqueren eine verwilderte Wiese, auf der Schafe weiden. Claudio fotografiert die Tiere. Weiter weg ist eine kleine Herde aus schwarzen Rindern zu sehen, Büffelkühe wahrscheinlich. Claudio fotografiert auch die Büffel. Wir umrunden den kleinen Hügel und folgen der Straße, die in den Wald zu führen scheint. In der Kurve bremsen wir einer nach dem anderen abrupt ab.
    »Was ist das denn?«, fragt Fausto und lacht.
    Vor uns, mitten auf der Straße, steht ein weißes Bidet samt Armaturen. Es ist so gut in die Landschaft integriert, dass man meinen könnte, es würde gleich Wasser aus dem verrosteten Hahn hervorsprudeln.
    »Los, das musst du unbedingt fotografieren!«, fordere ich Claudio auf.
    Claudio steigt vom Rad und fängt allen Ernstes zu knipsen an.
    »Warte, warte!«, brüllt Fausto.
    In einem Anfall kretinösen Übermuts zieht er seine Hose herunter und hockt sich auf das Bidet. Claudio entfernt sich ein paar Schritte und schießt das Foto.
    »Kommt schon, ragazzi , und jetzt ein Foto zusammen!«, ruft Fausto, stellt sich neben das Bidet und reckt uns sein Hinterteil entgegen.
    Ich schäme mich für sein Verhalten. Mein Sinn für Ästhetik verbietet es mir, mich in aller Öffentlichkeit nackt auszuziehen. Doch auch Sergio lässt seine Hüllen fallen, und ich habe keine Lust, als Spielverderber dazustehen,
    »Los, los!«, feuere ich ihn an, aber in erster Linie, um mich selbst zu motivieren.
    Claudio entfernt sich ein paar Meter auf der Schotterstraße, um uns alle ins Visier zu nehmen, während wir das Hinterteil in die Luft strecken und albern grinsen wie drei Teenager.
    »Drück drauf, Claudio, jetzt!«, brüllt Sergio, als er sieht, dass ich meine Position eingenommen habe.
    »Fertig?«, frage ich, da ich es kaum erwarten kann, mich wieder anzuziehen.
    »Oh, Rembrandt! Jetzt schwing schon den Pinsel!«, höhnt Fausto.
    Wir stoßen ein letztes Mal ein meckerndes Lachen aus, ehe Sergio sich zu Claudio umdreht und mitten in der Bewegung erstarrt. Sein Gesicht ist plötzlich ernst. Mit heruntergelassenen Hosen folgen wir instinktiv seinem Blick. Claudio hat uns den Rücken zugewandt und betrachtet irgendetwas vor ihm auf der Straße, das sich hinter der Kurve befindet.
    »Was ist da?«, fragt Sergio, ohne eine Antwort zu bekommen.
    Im Laufschritt schließen wir zu Claudio auf und stellen fest, dass das Bidet nur der Vorposten einer riesigen illegalen Müllkippe ist. Auf ungefähr zweihundert Meter türmen sich am Straßenrand zentnerweise Schrott und Unrat.
    Wir holen unsere Räder und fahren schweigend über diesen Friedhof aus ausrangierten Kühlschränken, Waschmaschinen, Heizlüftern, kaputten Toilettenschüsseln, Bauschutt, Farbeimern und Autobatterien. Dann fällt unser Blick auf unseren Hof, der weniger als einen Kilometer Luftlinie entfernt liegt.
    »Die benehmen sich wie die wilden Tiere! Die haben vor nichts Respekt, verdammt noch mal!«, knurrt Fausto.
    »Was für ein Drecksvolk. Solche Leute widern mich an«, fügt Claudio hinzu.
    Ein Schaf weidet zwischen schwarzen Plastiksäcken mit undefinierbarem Inhalt.
    »Falls sie uns im Dorf mal wieder einen Käse aus der Region anbieten – den können sie selber fressen!«, schimpft Sergio.
    Keiner von uns hat Lust, den Ausflug fortzusetzen.

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