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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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Mit einer derartigen Schutthalde vor der Haustür können wir unseren Gästen kaum Landpartien und Fahrradausflüge anbieten, geschweige denn, ihnen von der uns umgebenden, unberührten Natur vorschwärmen. Wir überlegen, ob wir vielleicht bei den Carabinieri Anzeige erstatten sollen, aber nach dem letzten Besuch der Gemeindepolizei wollen wir mit den örtlichen Ordnungskräften nichts mehr zu tun haben. Außerdem haben wir noch immer die Camorristi im Keller und sollten deshalb nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf uns lenken. Schließlich fragen wir uns, was die Säuberung des Geländes wohl kosten würde, aber Sergio hat recht. Angesichts unserer prekären finanziellen Situation können wir uns nicht einen Euro Ausgaben zusätzlich leisten. Schließlich einigen wir uns darauf, den Skandal bei einer Umweltschutzorganisation anzuzeigen. Bei unserer Suche im Internet erfahren wir, dass es in der Gegend nur einen einzigen solchen Verband gibt. Als wir anrufen, meldet sich der Anrufbeantworter, und so hinterlassen wir eine Nachricht, ohne groß auf Resonanz zu hoffen.
    Nach dem Abendessen legen wir uns am Fenster auf die Lauer. Wir rechnen damit, uns die Nächte um die Ohren schlagen zu müssen, doch stattdessen erspähen wir so gegen halb elf Uhr abends einen kleinen Lastwagen. Langsam holpert er über die Schotterstraße und hält – wie wir vermuten – hinter der Kurve, die wir nicht mehr einsehen können. Dafür erblicken wir vom Fenster aus, wie Sergio in den Garten flitzt. Wir befürchten, dass er die Übeltäter gewaltsam zur Rede stellen könnte, aber keiner von uns traut sich aus dem Haus. Der Lieferwagen hat inzwischen gewendet und kommt wieder zurück. Seine Scheinwerfer tauchen einen Moment lang die Wiese in grelles Licht, über die Sergio gerade läuft, und verzerren gespenstisch dessen im Gegenlicht illuminierte Silhouette. Sergio wirft sich zu Boden, der Kleinlaster setzt seine Fahrt in Richtung der asphaltierten Hauptstraße fort. Erst jetzt beschließen wir, unser Versteck zu verlassen und einzugreifen. Kaum ist Claudio aus dem Haus, schickt er dem Fahrzeug wüste Beschimpfungen hinterher, doch der Lieferwagen ist bereits nicht mehr zu sehen.
    Wir eilen zu Sergio, der von oben bis unten mit Schlamm bedeckt ist wie ein Soldat an der Front.
    »Ich habe ihre Autonummer«, keucht er, und das hört sich an, als hätte er einen Plan.

61
    Nachdem die Euphorie über den triumphalen Silvesterabend vor dem Lagerfeuer verflogen ist und sich auch die erste Aufregung wegen der Müllkippe wieder gelegt hat, versammeln wir uns am Küchentisch, um ernsthaft unser weiteres Vorgehen zu besprechen. Die Stimmung ist gedämpft, aber zuversichtlich. Die außergewöhnliche Schönheit jenes Abends hat uns bewusst gemacht, dass auch wir fähig sind, etwas Großartiges auf die Beine zu stellen.
    »Mochte das Glück uns auch fehlen, so nicht die Tapferkeit«, zitiert Fausto voller Pathos den Gedenkstein von El-Alamein zu Ehren der dort gefallenen italienischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg.
    Sergio wirft ihm einen befremdeten Blick zu, lächelt dann aber unerklärlicherweise.
    Besiegt fühlt sich zwar keiner von uns, doch wir beginnen, allmählich die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, uns vorsichtshalber auf dem Immobilienmarkt umzuschauen, eventuell unser Anwesen schätzen zu lassen und im Notfall auch einen größeren finanziellen Verlust in Kauf zu nehmen. Immer schneller kreisen die Gedanken um die unausgesprochene Idee, alles aufzugeben. Nur Vito scheint sich damit nicht abfinden zu wollen und versucht, uns Mut zu machen. Wer hätte das gedacht. Aber letzten Endes ist er derjenige, der sich am meisten vor der Vorstellung fürchtet, wieder in sein altes Leben zurückzukehren.
    Während Sergio und Fausto die Telefonnummer des Immobilienmaklers heraussuchen, holen Abu und Elisa einen Korb und gehen hinaus in den Garten. Claudio schaltet den Fernseher ein, aber bereits nach wenigen Sekunden schnaubt er und schaltet ihn wieder aus, obwohl seine Lieblingssendung läuft, eine Wiederholung der Weltmeisterschaft von 1982. Ich lasse Vito einfach sitzen, weil ich nicht weiß, was ich ihm sagen soll, und keine Lust habe, mir weitere unmögliche Lösungsvorschläge anzuhören.
    Die Unterlagen der Immobilienagentur sind nicht an ihrem Platz, und Sergio wird allmählich nervös. Als sein Handy in der Hosentasche klingelt, schreckt er zusammen wie von der Tarantel gestochen.
    »Hallo? … Ja!«, meldet er sich barsch, ehe er in

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