Radio Miracoli und andere italienische Wunder
vorbei zur Tür hinaus. Eine Sekunde später kehrt er mit jenem unverschämten Grinsen im Gesicht wieder zurück, das wir das erste Mal an dem Tag, als er zu uns kam, an ihm gesehen haben. Verwundert beobachten wir, wie er sich vor Fausto auf den Stuhl setzt und die Füße auf den Tisch legt.
»Ich habe doch gewusst, dass die Geschäfte gut laufen werden. Bravo, Leute, bravo«, sagt Vito in breitestem Dialekt.
Fausto wirft uns einen verdutzten Blick zu, macht das Spiel aber mit.
»Es waren doch nur vier Gäste … vier junge Leute.«
»Was soll ich euch sagen? Ihr müsst mehr Reklame machen. Ihr seid schließlich Geschäftsleute.«
»Ja, und deshalb wollten wir Sie auch bitten, ob es nicht möglich ist, dass wir die Rate erst nach Ostern bezahlen.«
»Soll das heißen, dass wir mit unserem Geld eure Werbung finanzieren sollen? Ihr seid die Unternehmer. Nein, nein, das müsst ihr schon selbst blechen.«
»Wir haben aber nur siebenhundert Euro eingenommen. Und die Ausgaben haben wir noch gar nicht berücksichtigt. Ihr treibt uns in den Ruin!«
»Ach, was erzählt ihr da. Ihr seid doch vier clevere Burschen. Außerdem habe ich euch schon einmal gesagt – wir sind keine Tiere. Uns ist daran gelegen, dass eure Geschäfte gut laufen. Gut, dieses Mal drücken wir noch ein Auge zu.«
»Danke!«, sagt Fausto gerührt, der inzwischen völlig in seiner Rolle aufgegangen ist.
»Gebt mir die siebenhundert Euro jetzt … und den Rest nach Ostern.«
Uns allen läuft es eiskalt über den Rücken. Sergio lässt seinem Frust freien Lauf und schlägt mit der Faust auf den Tisch.
»Oh, oh, immer mit der Ruhe … so und nicht anders wird es laufen, Jungs. Seid euch darüber im Klaren«, beschwichtigt Vito ihn.
Vielleicht liegt es noch immer an dem Einfluss der magischen Silvesternacht, dass wir nicht wie eine Gruppe von Unternehmern reagieren, die kurz vor der Pleite stehen. Natürlich sind wir wütend, aber keiner lässt sich zu einer jener unschönen Szenen hinreißen, wie sie bis vor Kurzem noch an der Tagesordnung waren. Claudio quengelt nicht, und Sergio und Fausto geraten sich nicht in die Haare. Wer weiß, vielleicht hoffen sie tatsächlich darauf, dass auf einen Schlag alle unsere zweihundertfünfzig Freunde vor der Tür stehen.
59
Elisa und ich haben nicht die geringste Absicht, uns den Feiertag verderben zu lassen. Das Lagerfeuer hat einen großen kreisrunden Fleck in unseren Lieblingsrasen gebrannt, und so beschließen wir, diesen Umstand entsprechend zu würdigen, indem wir dieses Schandmal mit ausgesucht schönen, weißen Kieselsteinen einsäumen.
»Gibt es eigentlich jemanden, der auf dich wartet?«, frage ich unvermittelt.
»Gott, schlimmer geht es wohl nicht …«
Ich verdrehe die Augen zum Himmel, aber so, dass Elisa es mitbekommt.
»Doofer kannst du dich wirklich nicht mehr ausdrücken«, fährt sie fort.
»Könntest du vielleicht ein wenig deutlicher werden?«
»Sicher doch. Was erwartest du von mir? Das war nur eine Retourkutsche. Es ist doch klar, dass du auf eine dumme Frage eine dumme Antwort bekommst, oder?«
»Kannst du nicht einfach die Wahrheit sagen?«
Elisa lächelt. Ohne es zu wissen, habe ich den Nagel auf den Kopf getroffen
»Klar gibt es jemanden. Meine Mutter wartet auf mich, und auch meine Schwestern, dann ein Dutzend Cousins und Cousinen, ein paar Freundinnen und ein Hund.«
Wir verteilen die letzten Kieselsteine, wobei Elisa nichts Besseres zu tun hat, als die meinen jeweils um ein paar Zentimeter wieder zu verschieben. Das tut sie nur, um mich zu irritieren, aber ich falle nicht darauf herein.
»Bist du denn mit jemandem zusammen? Entschuldige meine Direktheit. Vielleicht ist es dir ja auch lieber, eine halbe Stunde um den heißen Brei herumzureden«, sagt sie.
»Ach, scher dich zum Teufel!«
Mit wutverzerrtem Gesicht entferne ich mich, auch wenn ich im Grunde gar nicht wütend bin. Eigentlich weiß ich überhaupt nicht, was ich in diesem Moment empfinde. Ich weiß nur, dass mir nervöse Frauen verhasst sind, aber Elisa ist nicht nervös. Bissige Frauen kann ich auch nicht leiden, aber sie ist heiter und unbeschwert. Und polemische Weiber sind mir wirklich ein Graus. Das heißt, nur sie nicht. Unterm Strich bin ich vielleicht einfach nur verliebt.
60
Wir haben beschlossen, uns einen Tag Ruhe zu gönnen und mit dem Fahrrad die Umgebung zu erkunden. In dieser ganzen Zeit waren wir so mit Arbeit beschäftigt, dass wir nicht ein einziges Mal über die Schotterstraße
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