Radio Miracoli und andere italienische Wunder
diesem unverständlichen Parameter auf sich hat. Aber ich habe meine Arbeit nicht geliebt. Da erging es mir ebenso wie allen anderen. Ich habe lieber acht Stunden an die Decke gestarrt, als eine einzige Frage zu beantworten.
Und jetzt lebe ich im Paradies. Wir tun alles für unsere Gäste, weil wir froh sind, dass sie zu uns kommen. Wir kochen mit Liebe für sie, weil wir wollen, dass sie zufrieden sind und sich nach den Rezepten für unsere Köstlichkeiten erkundigen. Wir beruhigen Knoblauch-Allergiker und zaubern, falls nötig, in wenigen Minuten ein mehrgängiges Menü aus dem Ärmel. Wir ziehen uns diskret zurück, wenn ein Gast seine Ruhe haben möchte, und stehen im Notfall die ganze Nacht für ein Gespräch zur Verfügung, wenn jemand den Wunsch zum Reden verspürt. Die Tür zur Küche steht bei uns immer sperrangelweit offen, da wir – außer unseren Camorristi – nichts zu verbergen haben. Unsere Produkte sind von bester Qualität, frisch aus dem Garten und biologisch angebaut. Bei uns gibt es keine festen Zeiten für Frühstück, Mittagessen oder Abendessen, und wenn ein Gast müde und hungrig von einer Wanderung zurückkommt, bereiten wir einen Imbiss für ihn zu, ohne diesen auf die Rechnung zu setzen.
Es ist das reinste Vergnügen, unsere Gäste zu versorgen, die uns ihr Lächeln, ihr Staunen und ihren Dank schenken. Halt, nein. Ganz so stimmt das natürlich nicht. Zuerst sind sie misstrauisch, weil sie genau wissen, wie der Hase normalerweise läuft, und weil sie ständig mit irgendeiner Gaunerei rechnen. Doch irgendwann lässt die Spannung nach, und dann schenken sie uns ihr Lächeln und den ganzen Rest.
Wir haben des Geldes wegen angefangen, aber mittlerweile ist der schnöde Mammon das Letzte, woran wir denken. Das beruhigende Wissen, nicht jeden Moment schließen zu müssen, hat genügt. Sofort ist jeder Gedanken an den Profit in den Hintergrund getreten, und wir haben uns ganz darauf konzentriert, uns in perfekte Gastgeber zu verwandeln. So hat Claudio uns einmal um zwei Uhr nachts geweckt, um uns mitzuteilen, dass wir unbedingt Wolldecken für die Gäste kaufen müssten. Ein genialer Einfall. Auf einer weichen Wolldecke auf einer klingenden Wiese zu liegen, vor sich ein malerisches Lagerfeuer, über sich einen mit Sternen übersäten Himmel – das ist das Paradies.
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In den ersten Frühlingstagen geht eine merkliche Verwandlung mit der Landschaft vor sich. Überall bunte Farbtupfer – auf Wiesen, Bäumen und den Feldern rings um das Anwesen. Ich würde sogar schwören, dass auf den kahlen Stellen von Claudios Kopf feiner Flaum sprießt.
Heute ist einer unserer seltenen freien Tage, und wir beschließen, am Nachmittag nur das zu tun, wozu wir Lust haben. Doch zuvor müssen wir in den Garten. Die Aktion, dass unsere Gäste Patenschaften für Bäume und Pflanzen übernehmen, war ein voller Erfolg, und jetzt müssen wir den Garten um mindestens zwanzig Meter vergrößern. Manche Gäste fahren zweihundert Kilometer weit, nur um bei uns zu Mittag zu essen und mit einem Korb voll mit Früchten ihrer Paten-Pflanze wieder abzufahren. Elisa ist so mit Arbeit eingedeckt, dass inzwischen Abu und Fausto für den Garten zuständig sind. Sie arbeiten Hand in Hand, informieren sich im Internet über den Gemüseanbau, freuen sich über jede neue Frucht und zittern vor dem nächsten Hagel. Als Fausto dahinterkam, dass der Gemüsegarten ein dankbares Thema ist, um mit den Gästen ins Gespräch zu kommen, hat er begonnen, sich näher mit der Materie zu beschäftigen. Inzwischen hockt er auch schon mal eine ganze Nacht draußen und hält schützend einen Schirm über seinen jungen Kopfsalat.
Es ist Zeit, unseren Gefangenen das Mittagessen in den Keller zu bringen. Ich melde mich freiwillig, zusammen mit Claudio. Sergio will eigentlich auch mitkommen, beschließt aber, lieber weiter die Erde umzugraben, und gibt Fausto ein Zeichen. Auch wenn sich unser Sicherheitssystem bewährt hat, ist es besser, wenn wir zu dritt sind.
Mit Hippen, den sichelförmigen Messern, bewaffnet, bleiben wir vor der Kellertür stehen und verteilen die Aufgaben. Fausto, der die sonorste Stimme hat, wird den Camorristi befehlen, ins Bad zu gehen, ich werde hinter ihnen abschließen, und folglich wird es Claudios Aufgabe sein, das Tablett hereinzutragen. Fausto wird als Wache an der Tür stehen bleiben.
»Ab mit euch ins Bad! Und macht die Tür zu, ihr Wichser!«, brüllt Fausto, woraufhin er sich umgehend einen tadelnden Blick von
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