Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Hände den Körper eines Fremden berühren könnten, macht mich wahnsinnig. Ich versuche, mich abzulenken, indem ich in den Garten hinausgehe, wo Abu, Samuel und Alex die wartenden Gäste mit ghanaischen Gesängen und Tänzen unterhalten. Diese kleine volkskundliche Einlage – ein aus der Not geborener, spontaner Einfall Elisas, um die Zeit zu überbrücken, damit die neuen Gäste nicht zu lange warten müssten, bis sie die große Anzahl an Gerichten fertig haben würde – ist wieder ein Erfolg auf der ganzen Linie.
Die Atmosphäre ist mittlerweile so aufgeheizt, dass unsere Besucher vermutlich auch dann in heillose Verzückung ausbrechen würden, wenn wir ihnen ein Marionettentheater präsentierten. Ich versuche, das Schauspiel zu genießen, aber nach nicht einmal fünf Minuten halte ich es nicht mehr aus und steige unter das Dach hinauf. Auf der Treppe sehe ich Elisas ersten Kunden mit einer Miene aus dem Zimmer kommen, die mir gar nicht gefällt. Im Vorübergehen zwinkert er mir auch noch zu, und ich muss an mich halten, ihn nicht die Stufen hinunterzustoßen.
»Was machst du denn hier?«, fragt Elisa mich.
Sie steht am Kopfende der Massageliege und stützt sich mit den Ellbogen darauf ab. Ihr Gesichtsausdruck heitert mich wieder auf. Sie sieht wirklich nicht so aus, als ob es ihr großen Spaß gemacht hätte. Im Gegenteil, sie scheint völlig entkräftet zu sein.
»Wieso bist du heraufgekommen?«, fragt sie mich erneut.
Ich wollte sehen, ob du etwas brauchst, denke ich.
»Mich hat einen Moment lang die Eifersucht gepackt«, sage ich.
Aber was rede ich da?
»Einen sehr langen Moment lang«, füge ich munter hinzu.
»Ah, bravo. Wieso gehst du dann nicht runter und polierst dem anderen Kunden die Fresse? Du würdest mir damit einen Gefallen tun! Ich schaffe es nicht mehr, den auch noch zu massieren.«
»Entschuldigung?«, lässt sich in dem Moment eine Stimme hinter meinem Rücken vernehmen.
Der zweite Typ ist da. Ich schenke Elisa ein Lächeln und gehe wieder hinunter. Nie hätte ich gedacht, dass dies ein so erhebendes Gefühl sein könnte, aber diese Treppe ist einzigartig, denn an ihrem oberen Ende wartet eine ganz besondere Frau.
Als ich in die Küche komme, sehe ich gerade noch, wie Sergio sich anschickt, in der Tür zum Keller zu verschwinden. In der Hand hält er ein Tablett, auf dem – wie mir sofort auffällt – drei Teller stehen.
»Wieso drei?«, frage ich ihn lächelnd.
»Das ist schon in Ordnung«, erwidert er.
Im ersten Moment denke ich mir nichts dabei, aber dann fällt mir seine angestrengte Miene auf, und ich beschließe, ihm zu folgen. Als ich unten ankomme, ist Sergio bereits im Keller verschwunden. Ich glaube, meinen Augen nicht zu trauen, als ich außer den beiden Nachwuchskräften auch noch Franco sehe, den Fallschirmjäger-Camorrista. Sergio hält ihn mit einer Pistole in der Hand in Schach, während er vorsichtig das Tablett auf den Boden stellt. Er bemerkt mich erst, als er sich zum Gehen umdreht.
»Die Tür!«, brüllt er.
Ich habe die Tür zur Küche offen gelassen, und Franco – so schnell können wir gar nicht reagieren – fängt aus Leibeskräften an, um Hilfe zu rufen. Sergio verriegelt den Keller, und wir stürmen hinauf in die Küche. Erst als wir auch die zweite Tür schließen, verstummen Francos Schreie. Vorsichtig spähen wir zum Fenster hinaus, aber die Gesänge von Abu, Samuel und Alex haben uns gerettet.
»Wenn ich sage, es ist alles in Ordnung, dann ist alles in Ordnung, verdammte Kacke noch mal!«, brüllt Sergio.
»Von wegen in Ordnung! Wann ist das passiert?«
»Als du im Dorf warst.«
»Und wissen es die anderen? Warum habt ihr mir nichts gesagt?«
»Ja, ja, du hast recht. Wir hätten es dir sagen sollen, aber da waren die Gäste … und außerdem hängst du permanent an Elisas Rockzipfel, die von der Sache ohnehin nichts wissen will.«
»Wir waren uns doch einig, dass wir zahlen und kein weiteres Risiko eingehen werden …«
»Die Musik, die Musik!«, ruft einer der jungen Männer im Garten.
Wir kehren an das Fenster zurück und erblicken fünfundzwanzig Personen, die reglos auf der Wiese verharren. Zwei, drei kauern im Gras, einer drückt ein Ohr auf die Erde, während der Rest sich langsam und in quasi religiösem Schweigen auf dem Rasen niederlässt.
»Das ist unsere Sache«, blafft Sergio.
Er hat recht, aber es erscheint mir nicht richtig. Nachdenklich verlasse ich die Küche. Der gesunde Menschenverstand würde einem raten, jetzt,
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