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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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Claudio.
    »Von wegen normal«, erwidert Sergio.
    »Da muss was passiert sein«, meint Vito.
    Der Alte setzt seinen Hut wieder richtig auf und kehrt mit Sergio ins Haus zurück. Claudio wirft mir einen Blick zu und folgt ihnen.
    »Wohin geht ihr? Die Burschen bringen sich wahrscheinlich nur wieder gegenseitig um. Wie üblich!«, schimpft Fausto.
    Auf der Straße fährt ein dritter Krankenwagen vorbei, und aus der Ferne sind weitere Sirenen zu hören.
    »Wir sollten Abu anrufen!«, schlage ich vor.
    »Ich habe die Schnauze voll von diesen Wichsern … Sie schaffen es, uns jede Party zu versauen«, ruft Fausto mir nach, als ich auch ins Haus gehe. »Vielleicht gibt es nur Verletzte, wie beim letzten Mal! Aber jetzt werde ich losziehen und diese Typen kaltmachen! Ich werde ihnen zeigen, wie so etwas geht!«

78
    Wir schalten den Fernsehapparat ein und zappen uns durch alle Kanäle, aber nichts trübt die bemühte Heiterkeit der Televerkäufer oder Fernsehköche. Vito sucht im Radio nach einem Lokalsender, während unser Lieblingsmoderator mit gewohnt grundloser Begeisterung seine Widmungen vom Blatt liest. Indessen versucht Sergio weiterhin, Abu zu erreichen.
    »Sein Telefon klingelt, aber er geht nicht ran«, sagt er.
    Wir zappen erneut eine Runde durch alle Kanäle und Radiostationen. Irgendwann ist Sergio mit seiner Geduld am Ende. Er geht an den Computer und ruft die Seite der ANSA , der italienischen Presseagentur, auf. Über seine Schulter hinweg verfolge ich aufmerksam die Mitteilungen. Die letzte ist eine halbe Stunde alt und berichtet von einer Messerstecherei aus nichtigen Beweggründen zwischen Vater und Sohn. Vielleicht war zu laute Musik die Ursache der Tragöde.
    »Ob es das ist?«, frage ich.
    »Das war in Turin. Siehst du das denn nicht?«, erwidert er und deutet auf den Bildschirm.
    »Jetzt lasst das endlich, ragazzi . Wir haben uns völlig umsonst aufgeregt«, meint Fausto.
    »Hier ist auch nichts zu finden«, fügt Claudio nach der x-ten Zapping-Runde hinzu.
    »Wir sollten vielleicht mal ins Dorf hinunterschauen …«, schlägt Vito vor.
    »Blödsinn! Wir können doch nicht jedes Mal, wenn ein Krankenwagen vorbeifährt, das Schlimmste befürchten! Forza, ragazzi . An die Gläser! Die können uns alle mal!«, ruft Fausto.
    »Die haben vier Leute umgebracht!«, ruft Sergio.
    Mein Blick folgt seinem Finger, und ich nähere mich bis auf zwei Zentimeter dem Bildschirm, um zu entziffern, was dort steht.
    »Scheiße, das ist hier, hier im Dorf … Verletzte gibt es auch«, sage ich.
    Alle scharen sich um den Computer, und wir verfolgen schweigend die eintreffenden Nachrichten. Bei den Opfern handelt es sich ausschließlich um Einwanderer, Migranten aus Afrika. Einer der Toten ist ein Camorrista, die anderen sind alle Afrikaner. Fünf Tote und drei Verletzte, sechs Tote und zwei Schwerverletzte. Es werden immer mehr.
    »Versuch es noch mal bei Abu! Los, ruf schon an!«, brüllt Fausto.
    Sergio startet einen letzten Versuch, aber wieder meldet sich niemand. Jetzt können wir nicht länger warten. Sergio, Claudio und Elisa sind als Erste im Auto. Fausto will sich gerade auf den letzten freien Platz zwängen, aber Sergio gibt ihm zu verstehen, dass es besser ist, wenn wenigstens drei Leute im Haus bleiben. Ich bin unfähig aufzustehen. Ich fühle mich schuldig. Ich fühle mich verantwortlich, ein absurdes Projekt angestoßen, den Tod eines Camorrista billigend in Kauf genommen, dabei aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen zu haben, dass auch Unschuldige zu Tode kommen könnten.
    »Gott, was haben wir da angestellt …«, murmele ich.
    Ich suche Vitos Blick. Ich brauche Zuspruch. Vito hat eine Hand auf die Stirn gelegt, starrt auf die Tischplatte und schüttelt den Kopf.

79
    Nach einer Stunde wird die Warterei unerträglich. Noch immer kein Lebenszeichen von den dreien im Dorf, und als wir versuchen, sie telefonisch zu erreichen, meldet sich niemand.
    »Das halte ich nicht mehr aus! Ich gehe jetzt los!«, verkündet Fausto.
    Eine Sekunde später steht er an der Tür. Angesichts seiner entschlossenen Miene unterlasse ich jeden Versuch, ihn aufzuhalten.
    »Abu!«, ruft Fausto überrascht.
    Als wir aus dem Haus stürzen, sehen wir im Dunkeln Abu mit raschen Schritten näher kommen. Fausto läuft ihm entgegen, aber wenige Meter von ihm entfernt bremst er plötzlich ab und taumelt zu Boden.
    »Was hast du vor?«, schreit er.
    Verwirrt werfe ich Vito einen Blick zu, ehe ich einen Schritt nach vorn mache, um besser

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