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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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diese dreispurige Autobahn meines Lebens zu verlassen, die mich geradewegs auf eine zum Scheitern verurteilte Ehe und auf ein Rentnerdasein im Fernsehsessel zusteuern ließ und mich schließlich ins Grab geführt hätte.
    Mittlerweile ist es drei Uhr nachts. Ich stehe auf und verlasse mein Zimmer, um in die Küche zu gehen. Dabei achte ich darauf, keinen Lärm zu machen. Von Fausto hätte ich mir wahrhaftig männlich klangvolle Schnarchlaute erwartet, aber hinter seiner Tür ist nicht der leiseste Atemzug zu hören. Langsam schleiche ich mich die Treppe hinunter, und in der Küche stoße ich auf Claudio, der im Schein einer Kerze mit einer Tasse Kamillentee am Küchentisch sitzt.
    »Störe ich dich bei einem romantischen Tête-à-Tête?«, frage ich.
    Angesichts der Uhrzeit kommt mir meine Bemerkung durchaus witzig vor, aber es gelingt mir nicht, dem Mann auch nur den Anflug eines Lächelns zu entlocken.
    »Heute Nacht krieg ich kein Auge zu. Das muss am Essen liegen«, jammert er, offensichtlich genervt von meiner Anwesenheit.
    Seine schlechte Laune lässt mich kalt, und so hole ich mir ebenfalls eine Tasse heißes Wasser, hänge einen Beutel mit Kamillentee hinein und setze mich. Claudio trägt eine himmelblaue Schlafanzughose, die er, Gott sei Dank, mit einem weißen T-Shirt mit dem Logo seines Supermarktes aufgepeppt hat.
    » Es ist immer schwer, in einer fremden Umgebung einzuschlafen«, tröste ich ihn.
    »Pah, Fausto hat damit keine Probleme.«
    »Von wegen! Bei dem Lärm, den ihr macht!«, lässt sich Fausto hinter unserem Rücken vernehmen.
    In Wirklichkeit haben wir uns im Flüsterton unterhalten, und ich bezweifle stark, dass das Klappern meines Löffels in der Tasse bis in den ersten Stock hinaufgedrungen ist.
    »Na gut, nachdem ihr mich jetzt aus dem Schlaf gerissen habt, mache ich mir auch einen Kamillentee.«
    Fausto, in tarnfarbenen Boxershorts und weißem Achselshirt, kratzt sich an dem Tribal-Tattoo auf seinem linken Arm. Dann dreht er einen Stuhl herum, hockt sich mit gespreizten Beinen darauf und stützt sich mit beiden Armen auf der Lehne ab. Ich reiche ihm einen Beutel Kamillentee, woraufhin er mit Zeige- und Mittelfinger ein V formt, als bestelle er beim Barkeeper seines Vertrauens einen doppelten Whisky. Ich glaube nicht, dass ein Typ wie er als Erster das Bedürfnis verspüren wird, die Maske fallen zu lassen und eine ehrliche Diskussion darüber zu eröffnen, was wir hier eigentlich zu suchen haben. Claudio schon eher. Ich hatte heute bereits ein paarmal das Gefühl, als stünde er kurz davor, sein Herz auszuschütten. Und so ergreife ich umgehend die Gelegenheit, als er aufseufzt.
    »Was ist?«, frage ich ihn freundlich.
    »Nichts, warum?«, erwidert er, sofort auf der Hut.
    »Du hast geseufzt.«
    »Ich?«
    »Ich hatte jedenfalls den Eindruck.«
    »Nein, nein.«
    Der Vollmond wirft ein gespenstisches Licht auf die Grube für den Swimmingpool. Der Erdhaufen daneben scheint nur darauf zu warten, einen gigantischen Kadaver zu bedecken.
    »Das letzte Mal, dass ich es bis drei Uhr früh ausgehalten habe, war mit einer Mulattin«, sagt Fausto unvermittelt.
    »Aus der Karibik oder aus Südamerika?«, erkundigt sich Claudio interessiert.
    »Mit einem richtigen Bürzel«, antwortet Fausto.
    Jetzt soll ihn wohl jemand fragen, was er genau damit meint. Ich opfere mich.
    »Bürzel?«
    »Ihr wisst schon – so ein Arsch«, erklärt Fausto.
    »Aha«, meint Claudio und scheint im Geist die Analogie zum Tierreich zu überprüfen.
    Im Gegensatz zum Durchschnittsmann bin ich fähig, zwei Dinge gleichzeitig zu tun. In diesem Fall beobachte ich eine Eidechse, wie sie mit großer Geschwindigkeit die Fensterscheibe hinaufklettert, und lege parallel dazu großes Interesse an Faustos Bericht an den Tag.
    »Die Frau war der reine Wahnsinn. Schmal wie ein Reh, aber zwei enorme Titten wie zwei Luftballons«, fährt Fausto fort und deutet mit den Händen zwei Brüste an, wie sie auch im Tierreich nur schwerlich zu finden sein dürften.
    Die Zehen der Smaragdeidechse faszinieren mich besonders. Sie verlieren nie den Halt. Für mich könnte ich daraus eine Metapher über die menschliche Existenz als eine Art permanente Vertikalbewegung ableiten. Immer weiter nach oben und nicht horizontal auf einer Ebene hin und her, wie das in meinem Leben der Fall ist.
    »Du hattest wohl viele Weiber, wie?«, sage ich und eröffne mit diesem Zug meine Partie mit Fausto.
    »Tja, weißt du, keine Ahnung, ob ich die vielen Weiber hatte

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