Radio Miracoli und andere italienische Wunder
scheint er unverändert, aber er wirkt viel entspannter und scheint manchmal sogar glücklich zu sein.
Sergio, der in der Zwischenzeit Claretta verständigt hat, informiert uns, dass sie in einer Stunde eintreffen wird. Fausto zieht sofort los, um die Einkäufe im Dorf zu erledigen, und ich erkläre mich freiwillig bereit, Elisa abzulenken. Ich schlage ihr einen Spaziergang im Garten vor. Ihr misstrauischer Blick zwingt mich, erklärend hinzuzufügen, dass ich unbedingt einige Verschönerungsarbeiten mit ihr absprechen müsste.
Wir schlendern also hinter das Haus, wo ich ihr meine Idee erläutere, ein paar Obstbäume zu pflanzen, damit die Schuppen und Lagerhallen dahinter nicht mehr so auffallen. Ich führe sie sogar bis an die Grenze des Grundstücks, unter dem Vorwand, ihr die genaue Stelle zeigen zu wollen, wohin der Obstgarten kommen soll. Aber nach einer Viertelstunde fällt mir zu dem Thema nichts mehr ein, und wir setzen schweigend unseren Spaziergang fort.
Elisa macht den Eindruck, als würde sie auf etwas warten. Dieses Verhalten kenne ich. Wahrscheinlich wartet sie darauf, dass ich den ersten Schritt mache, und vielleicht würde sie mich sogar mit ihrem Entgegenkommen belohnen. Wir laufen jetzt bereits eine geraume Weile ziellos nebeneinander her, aber sie scheint nicht umkehren zu wollen. Ein deutliches Signal. Sie will, dass ich aktiv werde. Doch im Moment ziehe ich es vor, sie nur zu beobachten. Ich werde einen meiner üblichen Versuchsballons starten, um mehr über sie zu erfahren, ohne dass es ihr auffällt. Auf der Straße, ein paar hundert Meter vor uns, bewegt sich eine kleine Prozession, allen voran ein Priester, der ein Kreuz geschultert hat und als Vorbeter für die zwanzig Kinder fungiert, die ihm in zwei Reihen folgen. Zehn der Kinder riskieren in jeder Kurve ihr Leben. Ich deute auf die Gruppe und ergreife die Gelegenheit, mein Gespräch mit Elisa in andere Bahnen zu lenken. Kinder sind stets ein Schlüsselthema. Ihre Einstellung dazu sagt viel aus über eine Frau, über ihre Lebensanschauung, und vor allem darüber, ob Hoffnung auf unkomplizierten Sex besteht.
»Magst du Kinder?«, frage ich.
»Willst du mich aushorchen?«, erwidert sie.
Da ich in diesen Dingen nicht gänzlich unerfahren bin, gelingt es mir, in weniger als einer Sekunde ein überraschtes Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern.
»Nein … ich frage nur, ob du Kinder magst. Nur so, um etwas zu sagen.«
»Ah, verstehe. Weißt du, mit gewissen Fragen scheint man bei Frauen auf den Busch klopfen zu wollen. Antworte ich dir: ›Ja, ich liebe Kinder‹, bin ich bei dir sofort als ›Romantikerin‹ abgestempelt, oder besser gesagt als keusche Jungfer, die sich nur hingibt, wenn auch geheiratet wird. Gebe ich dir die Antwort: ›Ja, aber die von anderen‹, falle ich sofort in die Kategorie ›leicht zu haben und leicht zu entsorgen‹.«
Ich lächle weiterhin überrascht, obwohl Elisa es mit ihrer Antwort und in diesem Tonfall tatsächlich geschafft hat, mich zu verunsichern. Sie ist weder wütend noch gekränkt, sondern nur direkt. Nicht gewillt, so leicht aufzugeben, nicke ich, um ihrer Analyse zuzustimmen, als beträfe sie mich nicht.
»Na, dann lass mal hören. Willst du denn Kinder?«, fragt sie.
»Wenn ich dir antworte, dass ich es nicht weiß und dass ich noch nie darüber nachgedacht habe … in welche Schublade steckst du mich dann?«
»Was glaubst du wohl, wo ein Vierzigjähriger landet, der noch nie darüber nachgedacht hat, ob er jemals Kinder haben will? In der Schublade, die am überfülltesten ist. Bei den Heuchlern.«
»Bist du sauer auf mich?«
»Machst du Witze? Ich liebe Typen, die meine Piercings anstarren, aber nicht den Mut haben, mir die Fragen zu stellen, die ihnen dabei auf der Zunge brennen.«
»Ich habe deine Piercings nicht angestarrt, und außerdem fallen mir dabei keine Fragen ein.«
»Aha. Na, dann habe ich mich eben getäuscht. Aber ich hätte schwören können, dass du mich gleich fragen wolltest, wie viele Piercings ich eigentlich habe. Natürlich ist diese Frage nur ein Vorwand, um herauszufinden, ob du mir die Frage stellen kannst, die dich wirklich interessiert: ›Warum hast du sie dir machen lassen?‹«
Stumm lächelnd versuche ich, Zeit zu gewinnen.
»Ich persönlich kann solchen Körpermodif i kationen ja nicht so viel abgewinnen … das ist doch nur Kosmetik für die Seele. Wie ein Lippenstift oder Wimperntusche, nur dass man dabei stärker leiden muss, was die
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