Radio Miracoli und andere italienische Wunder
treffen überraschend Gäste ein, und wie empfangen wir sie?«, sagt Sergio.
»Ja, wie empfangen wir sie?«, frage ich.
»Oh! Was passt euch denn jetzt wieder nicht? Ihr müsstet doch zufrieden sein! Endlich wird es ernst, es sind Leute da, und wir können einen Testlauf starten! Wollt ihr nun Gäste haben oder nicht? Also, hier sind sie!«
»Ich habe mir unsere Gäste aber ein bisschen anders vorgestellt«, wirft Fausto ein.
»Dann schaff diese Gäste ran!«
In dem Moment fällt mir eine wunderbar bissige Bemerkung zu Tom Cruise ein, aber angesichts der ohnehin schon angespannten Lage beschließe ich, sie für mich zu behalten. Sergio wendet sich wieder seiner Arbeit zu, während ich leise auf Fausto einrede und versuche, ihn zu motivieren.
»Überleg doch mal. Ein Testlauf ist dringend notwendig … und da ist es doch besser, wenn wir an solchen Typen üben, oder?«
Mein Argument trifft in Faustos finsterem Herzen mitten ins Schwarze, und er fängt umgehend an, sich nützlich zu machen.
Der Probeempfang enthüllt dann auch postwendend unsere Schwachstellen. So gelingt es uns nicht, die jungen Leute davon abzuhalten, bis zu der Stelle im Garten zu schlendern, an der wir die Giulia begraben haben, über der inzwischen dicht und einladend das Gras nachgewachsen ist. Zum Glück bleibt das Radio stumm. Ich durchlebe lediglich eine kurze Schrecksekunde, als ich sehe, wie einer der Hunde abrupt stehen bleibt und dumm vor sich hin glotzt. Zum Glück sind unsere Gäste äußerst angetan von Elisas Köstlichkeiten, aber wahrscheinlich hätten wir sie mit unseren Kochkünsten ebenso beeindrucken können. Schließlich ist es keine große Kunst, mit der Küche von Sozialstationen konkurrieren zu müssen. Vito, der sich diesen Leuten problemlos zeigen kann, erweist sich als perfekter Oberkellner und bringt die einzelnen Gänge mit der Präzision eines Uhrwerks auf den Tisch. Ein paarmal vergessen wir zwar, ihn Pietro zu nennen, aber Fausto überspielt auch dieses Missgeschick kaltschnäuzig, indem er Elisa weismacht, dass Pietro Vitos zweiter Vorname ist.
Die Gespräche der jungen Leute drehen sich ausschließlich um die angedrohte Räumung ihres Sozialzentrums, woraufhin ein verzweifelter Fausto freiwillig in der Küche abtaucht. Als ich einmal kurz hinübereile, um den Wein zu holen, sehe ich, wie er die Karotten erbittert mit dem Hackbeil bearbeitet.
Nach dem Mittagessen machen wir es uns auf dem Teppich vor dem Kamin gemütlich. Bald werden die ersten Joints gedreht, worau f hin Claudio fluchtartig die Gruppe verlässt, mit der gemurmelten Entschuldigung, dass er sich dringend um seinen Bio-Gemüsegarten kümmern müsse. Ebenso gut hätte er ankündigen können, dass er Lenins Grabmal schänden wolle – es hätte ihm ohnehin niemand zugehört. Eva reicht den Joint an mich weiter, und ich ziehe daran, ohne zu zögern, auch wenn ich seit meiner Schulzeit nicht mehr geraucht habe. Die Kleine lächelt mir zu. Sie scheint mich amüsant zu finden. Wer weiß, vielleicht gehört sie zu denjenigen, die nur solche Leute mitrauchen lassen, die ihr sympathisch sind. Ich will etwas zu ihr sagen, aber bereits der erste Zug beraubt mich meiner Fähigkeit zu kontrollierter Kommunikation. Ich lasse mich auf den Teppich zurücksinken. Eva streicht mir durch das Haar und bettet meinen Kopf auf ihren Bauch; der ist warm und weich, und ihr Rock riecht gut. Ich schließe die Augen. Evas lange Kette kitzelt mich an der Stirn. Ich greife mit einem Finger danach, um zu spüren, woraus sie gemacht ist, und streife dabei unabsichtlich ihren Busen. Sie reagiert nicht, und ich fühle mich berechtigt, das Spiel fortzusetzen. Voller Glückseligkeit mache ich mehrere Minuten lang weiter. Dann höre ich sie flüstern: »Was lachst du so?« Ich will etwas zu ihr sagen, aber stattdessen kann ich nicht aufhören zu grinsen. »Was, zum Teufel, grinst du so?«, flüstert sie, dieses Mal seltsamerweise perfekt Faustos Stimme nachahmend.
»Kann man vielleicht erfahren, was es da zu kichern gibt?«
Ich muss beim Aufwachen wohl ziemlich eigenartig reagiert haben, denn Fausto läuft fluchend davon.
»Mein Gott, ist der Mann in einem Zustand!«, schimpft er.
Ich bin allein, umgeben von leeren Tellern und Gläsern. Mühsam rapple ich mich hoch und tappe zum Fenster. Die Autos auf dem Vorplatz sind weg. Ich sehe Elisa, die regungslos über der Giulia im Gras steht. Ich will die anderen warnen, aber mir dreht sich der Kopf, und ich muss mich auf das Sofa
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