Radio Miracoli und andere italienische Wunder
ihre Aufmerksamkeit, die bereits in Richtung Rasenfläche abwandert, darauf zu lenken. »Bisher haben wir nur hier und da ein paar Löcher zugegipst und darübergestrichen. Wegen einer Kletterpflanze hat sich der Putz gelöst, und deshalb haben wir den Efeu entfernt, außerdem einen kaputten Baum, der umzustürzen drohte, und um kein Risiko einzugehen, haben wir ihn gefällt …«
»Ah, daher kommt die Musik!«, sagt der Polizist in dem Moment.
Das Blut stockt mir in den Adern. Erst als ich mit dem Blick seinem Finger folge, der in Richtung Küchenfenster zeigt, beginnt es wieder zu fließen. Claudio ist ein Genie. Er hat das Radio auf das Fensterbrett gestellt und begleitet mit einer Hand dirigierend das Orchester, während er mit der anderen die sauberen Teller spült.
»Unser Freund ist ein Liebhaber klassischer Musik«, erkläre ich erleichtert.
Als die beiden Beamten dann doch ins Haus kommen, wollen sie unsere Papiere sehen und lassen sich mit jenem aufgesetzt wohlwollenden Lächeln, das wir mittlerweile bestens kennen, jedes Zimmer zeigen. Der Küchenschrank auf Rollen, den wir Elisas wegen vor die Kellertür montiert haben, narrt zum Glück auch sie. Dabei klopft mir die ganze Zeit über vor Angst das Herz bis zum Hals, auch meinen Freunden, wie mir scheint, doch von unten dringt nicht der geringste Laut herauf. Die beiden Polizisten schreiben und nicken ununterbrochen. Gegen Ende der Ortsbesichtigung nimmt unser Gespräch dann allerdings eine Wende, die der Unterhaltung mit den drei Handlangern der Mafia nicht unähnlich ist.
»Tja, in den Bädern scheint mir einiges nicht so zu sein, wie es sein soll«, meint der Ältere von beiden.
»Wir haben uns strikt an die Normen gehalten«, erwidere ich mit einem versöhnlichen Lächeln.
»Was für Normen?«
»Deswegen sind wir doch zu Ihnen auf die Wache gekommen, um uns nach den Richtlinien zu erkundigen …«
»Ah, die Richtlinien. In den Baurichtlinien steht beispielsweise geschrieben, dass die Wände unten eine leichte Krümmung aufzuweisen haben, um zu vermeiden, dass sich in den Ecken Dreck festsetzt, was nicht sehr hygienisch ist. Einem anderen Kollegen wäre das vielleicht nicht aufgefallen … mir schon.«
Den beiden Gemeindepolizisten fallen noch viele andere Dinge auf, wie die Höhe der Betten und das Fehlen von Rauchmeldern. Da Sergio, zumindest äußerlich, einen ruhigen Eindruck macht, überlasse ich ihn seinem Schicksal und eile in die Küche, um die Mappe zu holen, in der wir das TÜV -Zertif i kat für die Elektroinstallation aufbewahren. In dem Augenblick steckt Vito den Kopf durch die Tür.
»Wie läuft es?«, fragt er leise.
»Die nehmen uns völlig auseinander!«, erwidere ich und gebe ihm hektisch zu verstehen, dass er die Tür sofort wieder schließen soll.
»Immer mit der Ruhe, keine Panik … früher oder später werden sie euch fragen, ob ihr nicht irgendetwas brauchen könnt – eine Klimaanlage oder einen Kühlschrank. Dann sagst du Ja und fragst sie, ob sie dir einen Rat geben können, an wen ihr euch deswegen wenden sollt. Damit ist die Sache erledigt. Die wollen auch nur bestochen werden …«
»Aber hätten wir euch bezahlt, wären wir von solchen Forderungen verschont geblieben?«
»Ja, aber das ist eine einmalige Sonderabgabe .«
Wie von Vito vorhergesehen, pfeifen die beiden auf alle Bescheinigungen und Zertif i kate, die ich ihnen vorlege. Nachdem sie zum x-ten Mal irgendeine winzige und lächerliche Ordnungswidrigkeit festgestellt haben, beenden wir unseren Rundgang im Wohnzimmer. Dort begrüßen wir kurz Fausto, Claudio und Elisa, die so tun, als könnten sie sich vom Anblick eines Spiels der uruguayischen Liga nicht mehr losreißen. Die Gelegenheit beim Schopf ergreifend, nimmt mich einer der Polizisten auf die Seite.
»Ist schon ein bisschen alt, Ihr Fernseher. Wollen Sie sich nicht mal einen schönen, zweiundvierzig Zoll breiten Flachbildschirm anschaffen?«
»Liebend gern!«, antworte ich und bringe Sergio damit völlig aus dem Konzept. »Wissen Sie vielleicht, wo wir günstig einen herbekommen?«
»Also, für mich reicht der völlig«, sagt Sergio in einem Tonfall, der diese Diskussion ein für allemal beenden soll.
Der Polizist macht ein beleidigtes Gesicht und steckt die Visitenkarte wieder ein, die er mir gerade überreichen wollte.
»Ihm schon, mir nicht. Ein Zweiundvierzig-Zoll-Flachbildschirm ist besser als Kino, nicht wahr, Leute?«, rufe ich den drei auf dem Sofa zu.
»Häh?«, fragt
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