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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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beim Anblick dieser fruchtbaren Erde gewesen: »Und hierher kommt ein schöner Parkplatz.«
    »Ein Gemüsegarten …«, wiederholt Fausto.
    »Also, was haltet ihr davon?« Elisa ist Feuer und Flamme. »Abu würde sich darum kümmern, und die Ernte teilen wir uns.«
    »Nur die Idee ist von mir, der Boden gehört euch …«, erwidert Abu als Antwort auf unser Schweigen.
    »Ich finde, das ist eine wunderbare Idee. Wir wären autark und könnten vielleicht sogar noch etwas verkaufen«, meint Sergio.
    »Ich bin dafür«, sage ich.
    »Ich auch«, sagt Claudio.
    Wir drehen uns zu Fausto um, aber er ist nicht mehr da.
    Fausto sitzt allein draußen im Gras und raucht eine Zigarette. Wir beobachten ihn verstohlen durch das Fenster und beschließen, mit einer Flasche Wein zu ihm hinauszugehen und die Lage zu sondieren.
    Als wir uns neben ihn setzen, nimmt er uns kaum wahr. Schweigend schauen auch wir in Richtung Wäldchen, wohin sein starrer Blick gerichtet ist. Sergio trinkt einen Schluck aus der Flasche und reicht sie an Fausto weiter. Er trinkt und gibt an mich weiter. Der Wein löst die Zunge.
    »Wer soll das begreifen …«, fängt Fausto zu sinnieren an.
    Statt eine Antwort zu geben oder eine Erklärung zu verlangen, reiche ich die Flasche an ihn zurück.
    »In was für einer Welt leben wir überhaupt? Da bringt man ein Leben damit zu, sich Freunde zu suchen und an sie zu glauben. Man ist immer da, wenn sie einen brauchen.« Er trinkt einen weiteren Schluck. »Dann ist man plötzlich vierzig Jahre alt und stellt fest, dass man die Personen, die einem am nächsten stehen, im Grunde gar nicht kennt …«
    Ich wechsle rasch einen Blick mit Sergio, der ebenso ratlos ist wie ich.
    »Schauen wir der Realität doch ins Auge!«, ruft Fausto und dreht sich erst zu mir und dann zu Sergio um. »Wo sind die Freunde? Dieser Idiot mit der Website – seit ich denken kann, stellt er mich überall als seinen Bruder vor … und dann die Arschlöcher, die ich eingeladen habe? Wie viele haben mir geantwortet?«
    Fragend schaut er mich an. Dabei bin ich derjenige, der liebend gern wüsste, wie viele von seinen sicheren Freunden wir je zu Gesicht bekommen werden.
    »Und wenn ich mich jetzt umschaue, muss ich feststellen, dass meine einzigen Freunde ein Neger und ein Camorrista sind!« Melancholisch setzt er die Flasche an. »Mit Ausnahme der Anwesenden natürlich.«
    »Natürlich«, sagt Sergio.
    »Natürlich«, bestätige ich.
    »Das ist doch wirklich lächerlich … ein Neger, ein Camorrista, zwei Pechvögel und ein verschissener Kommunist! Was soll das sein? Ein Witz?«
    Da alles andere nicht infrage kommt, muss ich wohl einer der beiden Pechvögel sein. Aber ich nehme ihm das nicht übel. Seit Monaten leben wir nun schon zusammen, und dies ist das erste richtige Gespräch, das wir führen. Ich verzichte darauf, polemisch zu werden und ihn noch mehr zu quälen, und nicke wortlos.
    »Wer soll das begreifen. Das übersteigt meinen Horizont …«
    Wir schweigen, trinken und genießen diesen Moment. Zeugen der Verunsicherung unseres rechtslastigen Kameraden Fausto zu werden, das ist ein unvergessliches Erlebnis und mindestens ebenso verstörend wie das Eingeständnis, dass seine Erkenntnis im Grunde auch die meine ist.

47
    Und wieder ist es passiert. Zwei Kirschen am Stiel sind freigerubbelt worden, und Saverio und Renato bestehen auf ihrem Gewinn. Sie wollen Claretta – sie und keine andere. Und nicht nur das. Sie beschweren sich, dass ihr Keller ein mieses Loch sei, in dem nicht einmal ein Tier hausen wolle. Wir machen ihnen den Vorschlag, einen Tisch und Stühle hineinzustellen, damit sie es zum Essen bequemer haben, dazu einen größeren Fernsehapparat und neue Decken. Aber wir sind auf dem Holzweg. Die beiden Herrschaften verlangen Kerzen, eine Vase mit Blumen und neue Garderobe.
    »Und einen Flakon Passiòn«, fügt Saverio hinzu.
    »Passiòn?«, frage ich.
    »Klar, Passiòn. Das Parfum …«
    Die Debatte müsste vertieft werden, aber keiner hat Lust, sich zu äußern. Jedes menschliche Wesen, das zu Unfreiheit verdammt und Tag und Nacht in einen zwanzig Quadratmeter großen Raum gesperrt ist, würde verrückt werden. Nicht jedoch die beiden. Abgesehen von den dunklen Augenringen und ihrer Blässe scheinen sie wie neugeboren. Saverio hat zugenommen und sieht jetzt aus wie ein normaler Jugendlicher in seinem Alter, ganz zu schweigen davon, dass er nicht einen einzigen Tick mehr hat. Renato kann ich nicht so gut einschätzen. Körperlich

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