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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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wunderschön.«
    »Ja, unfassbar, ein Walzertakt, der zu Herzen geht«, erwidert er.
    Ja, denke ich, die Musik ist auch schön. Und ich möchte wetten, dass auch Elisa davon berührt sein wird. Als ich aus der Küche gehe, hallt der Klang der Musik wie ein fernes Echo in mir wider, auch wenn meine Ohren sie nicht mehr hören können. Die Melodie bringt einen Teil meiner Seele zum Schwingen, von der ich glaubte, dass sie nur noch auf äußere Reize in Form üppiger Oberweiten anspricht. Als ich die Tür öffne, fällt die Kälte beißend über mich her. Ich schlinge beide Arme um meinen Oberkörper und laufe mit gesenktem Kopf auf Elisa zu. Meine Schritte knirschen laut auf dem Kies, aber sie reagiert nicht. Ich will den Walzer hören, und aus Respekt vor der Musik laufe ich auf Zehenspitzen weiter. Ich schwebe fast. Als ich noch einen Meter von Elisa entfernt bin, bleibe ich zögernd stehen. Ein Windstoß lässt mich zusammenzucken. Bisweilen fallen einem im Bruchteil einer Sekunde tausend Dinge ein. So wie mir jetzt. Vielleicht wäre es besser gewesen, denke ich, wenn ich mir vorher ein paar Worte zurechtgelegt hätte. Dann, dass es geschickter ist, wenn ich mich schweigend neben sie setze. Und dann packt mich wieder die Angst, dass sie mich brutal abweisen könnte. Aber nein, diese herrliche Musik wird sie milder stimmen, und vielleicht fällt ihr dann auch auf, dass ich am Erfrieren bin, und sie kommt eventuell sogar auf die Idee, mich in den Arm zu nehmen. Doch was tut Elisa in dieser Sekunde voller banger Erwartungen? Sie steht einfach auf und geht weg.
    Zuerst hat es noch Spaß gemacht, sich am Telefon zu melden oder nachzuschauen, ob neue Mails eingegangen sind. Die Zuversicht war groß, und wir haben uns nicht viel dabei gedacht, wenn der elektronische Briefkasten mal wieder leer war oder niemand unsere Website angeklickt hatte. Doch zehn Tage vor Weihnachten verdüstert sich die Stimmung zusehends, und wir geraten uns erneut wegen des Namens unseres Ferienhofs in die Haare. Der Webdesigner hat sich nämlich geweigert, ihn zu ändern, solange er sein Geld nicht bekommt. Und wir streiten, weil wir bis auf den Etat für die laufenden Rechnungen wieder einmal pleite sind. Da unser Werbeetat absolut ausgeschöpft ist, haben wir beschlossen, tausend Flyer drucken zu lassen und sie im Dorf zu verteilen. Aber ohne jeden Erfolg. Vito hat uns – leider zu spät – erklärt, dass die Leute hier nie im Leben Ferien auf einem Bauernhof machen. Und die Wenigen, die diese Art von Urlaub schätzen, wollen eine Luftveränderung und nicht für ein Zimmer zahlen, von dem aus sie ihr eigenes Haus sehen. Womit er natürlich recht hat. Aber insgeheim hatten wir von der hiesigen Bevölkerung schon erwartet, dass der eine oder andere im Restaurant einen Tisch zum Abendessen reservieren würde, wenigstens am Samstag. Doch nichts. Ein kräftiger Schlag ins Wasser.
    Eigentlich stünde uns allen dringend der Sinn danach, ein rauschendes Einweihungsfest zu feiern, aber abgesehen vom fehlenden Geld, ist die Zeit zu knapp, und die Feiertage stehen vor der Tür.
    Sergio versammelt uns in der Küche vor dem Kamin auf ein Glas Wein zur Entspannung. Es sei unnötig, meint er, dass wir über die Festtage alle auf dem Hof blieben. Schließlich sei Weihnachten, und ein wenig Abstand würde uns guttun. Wir schauen ihn verwundert an, aber er beruhigt uns: Er, Abu und Vito werden allein zurechtkommen. Elisa ist die Erste, die sein Angebot annimmt. In dem Moment begreife ich, dass wir sie nicht mehr wiedersehen werden, und das tut mir so leid, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte.
    »Na gut, ich fahre auch. Dann kann ich gleich ein bisschen Reklame für unseren Agriturismo machen«, sagt Fausto.
    »Und ich werde die Gelegenheit zu einem Besuch bei meinen Eltern nützen«, erklärt Claudio.
    »Falls sich etwas tun sollte, rufst du uns sofort an. Dann kommen wir angezischt wie eine Rakete, abgemacht?«, sage ich zu Sergio.
    »Klar doch, ich schicke euch umgehend eine SMS «, erwidert er, klingt aber nicht sehr überzeugend.

51
    Die beiden Burschen im Keller sind rabenschwarzer Stimmung. Das bevorstehende Weihnachtsfest und das Wissen, dass sie es zum ersten Mal in ihrem Leben ohne ihre Familien verbringen werden, hat sie aus der Lethargie gerissen, in die wir sie offenbar erfolgreich versetzt haben. Wir starten mehrere Versuche, aber um sie zu trösten, genügt es nicht, ihnen ein üppiges Abendessen und zusätzliche Rubbellose in

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