Radio Miracoli und andere italienische Wunder
Männer gefallen den meisten Frauen.«
»Normalerweise ja. Männer mit Erfahrung sind sehr anziehend. Aber ich kann mir nicht vorstellen, mit einem Mann zusammen zu sein, der glaubt, alles zu wissen, und der mir die Welt erklären will. Mit einem Besserwisser kann ich nichts anfangen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass die Hälfte der Geschichten, die er erlebt haben will, erfunden ist.«
»Tja«, erwidere ich und kann mir ein erleichtertes Grinsen nicht verkneifen.
»Was für ein Glück! Da hat der Knabe ja genau die Antwort bekommen, die er hören wollte!«, feixt Elisa und zerzaust mir das Haar.
56
Als sich ein Wagen dem Hof nähert, hindern uns unsere einschlägigen Erfahrungen daran, uns aufrichtig zu freuen. Erst als wir im Wageninneren die Umrisse von vier lachenden Insassen ausmachen, löst sich unsere Verkrampfung. Aus einem uralten weißen Fiat Panda mit roter Fahrertür steigen ein junger Mann und drei junge Frauen aus. Unkomplizierte Gäste, wie es scheint. Sie wirken sympathisch und sind schlicht, aber gepflegt gekleidet. Menschen wie sie hätte ich am liebsten immer als Gäste, denke ich. Fausto scheint anderer Ansicht zu sein.
»Bei denen können wir uns die Extras gleich abschminken. Die haben doch keine Kohle«, meint er.
»Macht nichts, hoffen wir auf die anderen«, sagt Claudio.
Die anderen lassen sich leider nicht blicken. Jemand hat wohl vergessen, uns anzurufen und abzusagen.
Unsere Stimmung sackt in den Keller, aber da die vier unsere ersten richtigen Gäste sind, legen wir uns trotzdem ins Zeug. Die kleine Erfrischung, die wir zur Begrüßung reichen, kommt sehr gut an. Die jungen Leute tauen auf, genießen das Essen und den Wein und fragen bei jedem Gang nach dem Rezept. Elisa schließt sofort mit allen Freundschaft, führt sie in die Küche, wo sie ihnen das eine oder andere kleine Geheimnis verrät, und anschließend hinter das Haus, um ihnen den Gemüsegarten zu zeigen. Grinsend folgen wir dem Tross auf Schritt und Tritt. Erst als unsere Köchin uns einen auffordernden Blick zuwirft und von uns wissen will, ob die Zimmer fertig sind, wird uns bewusst, wie lächerlich wir uns benehmen. Aber das muss man verstehen: Wochenlang haben wir auf unsere ersten Gäste gewartet, und jetzt können wir uns nicht an ihnen sattsehen.
Kaum dass sie ihre Koffer ausgepackt haben, eilen die jungen Leute zu Elisa in die Küche zurück. Da sie uns mit Verachtung strafen, beschließen wir, uns anderen Dingen zu widmen. Sergio schickt sich an, den Rasen zu harken, Claudio richtet die Bücher im Regal millimetergenau aus, und ich mache mich daran, einen Stapel Holz zu einer gleichmäßigen Pyramide aufzuschichten. Wir wirken wie die Komparsen in einem schlechten Film.
57
Die Begeisterung unserer jungen Gäste hält nicht lange an. Am Morgen des einunddreißigsten Dezember schleichen sie gelangweilt durch den Garten, und als wir sie miteinander tuscheln hören, befürchten wir tatsächlich, dass sie beschließen könnten, noch vor dem Abend abzureisen.
Elisa hat getan, was sie konnte, und für ihre Unterhaltung gesorgt: Das Problem sind wir. Fausto hat gleich den ersten Abend mit seinem Vorschlag ruiniert, sich vor den Kamin zu setzen und eine Runde Karten zu spielen, und Claudio geht ständig allen mit seiner Fragerei auf die Nerven, ob alles in Ordnung sei und ob sie etwas benötigen. Um sein Verhalten wieder wettzumachen, gehe ich den Gästen so weit wie möglich aus dem Weg, was – wie ich befürchte – bei ihnen den Eindruck erweckt, dass ich nichts mit ihnen zu tun haben will. Die gemeinsamen Freizeitaktivitäten, die wir uns für sie ausgedacht haben, kommen auch nicht sonderlich gut an. Der Fahrradausflug hat sich als absolutes Desaster erwiesen, denn nach ungefähr fünfzig Metern auf der Schotterstraße sind unsere Gäste erschöpft zusammengebrochen. Mit der Besichtigung des Dorfes waren sie gerade mal ein paar Stunden beschäftigt, so lange, wie es eben dauert, über die kleine Piazza zu bummeln, einen Blick auf das grottenschlechte Fresko über dem Altar in der Kirche zu werfen und von Weitem ein paar Schnappschüsse von charakteristischen Gassen der populären Viertel zu schießen.
Von der Küche aus beobachten wir die vier und stellen alle möglichen Vermutungen an.
»Wir bräuchten ein Volleyballnetz«, schlägt Fausto vor.
»Zwei kleine Fußballtore wären auch nicht schlecht«, meint Claudio.
»Wir könnten eine Art Mediathek mit einer Auswahl an Autorenfilmen anbieten«,
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