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Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Radio Miracoli und andere italienische Wunder

Titel: Radio Miracoli und andere italienische Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Bartolomei
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leer. Ich schalte die Lichterkette ein und starre wie hypnotisiert auf ihr Blinken. Ich hätte Lust, Sergio anzurufen, aber ich kann mich vom Anblick einer winzigen roten Lampe nicht losreißen, die angeht und wieder erlischt, die angeht und wieder erlischt, die angeht und wieder erlischt …

53
    Gegen elf Uhr abends trifft eine SMS von Sergio ein. Ohne auch nur eine Minute zu zögern, breche ich sofort auf und rede mir ein, dass es mir nichts ausmachen wird, eine traurige Figur abzugeben. Die Verlockung, mit den anderen die Freude über die Ankunft von zehn Gästen zu teilen, ist zu groß. Vom achtundzwanzigsten Dezember bis zum zweiten Januar werden alle Zimmer belegt sein, und ich muss sofort zurück auf unseren Hof, um mich zu vergewissern, dass alles an seinem Platz ist, dass unter den Betten kein Staub liegt, dass die Zimmer geheizt sind und dass der Garten in Schuss ist.
    Ich eile zum Bahnhof und erreiche gerade noch den letzten Zug. Die meisten Fahrgäste sind Pendler und Einwanderer. Sie schlafen alle. Ich stelle mich auf den Gang vor ein Fenster. Von der Landschaft sehe ich nicht viel, nur das Abteil hinter meinem Rücken, das sich in der Scheibe spiegelt und in dem es sich zwei Afrikaner auf den Sitzen bequem gemacht haben. Ich denke an die Kleinigkeiten, die noch zu erledigen sind, vor allem an die Türen, die noch gestrichen werden müssen, da ich in einem Anfall von Müdigkeit die anderen überzeugt habe, sie so zu lassen, wie sie sind. Mist, verdammter, es muss doch alles perfekt sein.
    Als ich am Bahnhof aussteige, bin ich noch völlig in Gedanken versunken und setze mich sofort in Richtung Landstraße in Bewegung. Vor mir liegt ein Fußmarsch von fast einer Stunde, aber das schreckt mich nicht. Ich sehe den Garten vor mir und frage mich, ob bereits die ersten Triebe aus der Erde ragen. Es würde einen guten Eindruck auf die Gäste machen, wenn dort reichlich Auberginen und Zucchini wüchsen. Wir könnten unsere Gäste auch animieren, eigenhändig das Gemüse zu ernten, das sie dann abends serviert bekämen. Das muss ich mir merken, das ist keine schlechte Idee. Ein als Kleinwagen getarnter Ferrari Spider braust in Höchstgeschwindigkeit an mir vorbei und streift mich um ein Haar. Es wird wohl besser sein, wenn ich auf den gegenüberliegenden Fahrbahnrand wechsle. Schon sehe ich den nächsten Wagen auf mich zukommen, einen schwarzen, von Spoilern verunstalteten Mercedes. Die Strecke ist sehr unübersichtlich, und ich würde hier nicht einmal fünfzig fahren, aber diese Verbrecher schneiden die Kurven, als sehnten sie sich geradezu nach einem entgegenkommenden Lastwagen. Die Kurven sind so eng, dass ich mich am Fahrbahnrand nicht mehr sicher fühle, nicht einmal in Gegenrichtung. Ich nütze ein kurzes Stück gerader Strecke, um erneut auf die andere Seite zu wechseln. An der Leitplanke trete ich fast auf den Kadaver eines verendeten Hundes, der die Zähne fletscht, als wollte er im letzten Augenblick seines Lebens den Kühler des Wagens anknurren, der ihn überfahren hat. Mich überkommt Brechreiz, und ich beschließe, lieber wieder an die Auberginen und Zucchini in unserem Garten zu denken. Eine knappe Sekunde später höre ich das Dröhnen eines frisierten Auspuffs. Der Kleinwagen von vorhin kommt zurück und fährt so knapp an mir vorbei, dass er mich wieder beinahe streift. »Arschloch!«, brülle ich dem Wagen hinterher, nachdem ich ihn wiedererkannt habe. Meine Verwünschung kommt von Herzen.
    Es hat immer einen Grund, wenn ein Auto mitten in der Nacht auf der Landstraße hin und her fährt. Meistens sitzen ein paar junge Burschen darin, die sich zu Tode langweilen, und deshalb sollte man nie so dumm sein, ihnen die Gelegenheit zu geben, doch noch etwas aus dem verlorenen Abend zu machen. Keine Sekunde nachdem ich meinen Schrei ausgestoßen habe, kommt der Wagen mit kreischenden Bremsen zum Stehen. Das weiße Licht des Rückwärtsgangs beleuchtet mein entsetztes Gesicht. Ich erwäge kurz, meinen Weg auf der Straße fortzusetzen und – bar jeder Vernunft – diesen Idioten gegenüberzutreten. Einen Moment später flüchte ich querfeldein und hoffe, dass der matschige Boden die Typen überzeugen wird, sich nicht die feinen Schuhe schmutzig zu machen, die sie sich vom Ertrag ihres letzten Handtaschendiebstahls gekauft haben. Doch offenbar haben sie festes Schuhwerk an den Füßen, denn diese Hurensöhne folgen mir mühelos und ohne einen Ton von sich zu geben. Das sind Profis. Sie sparen sich ihre

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