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Radio Nights

Radio Nights

Titel: Radio Nights Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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abzählte. Je nach Laune konnten da schon ein paar Minuten zusammenkommen. Dänen sind wirklich
     Säue. Was das alles mit
Abdullah
zu tun hatte, war mir verborgen geblieben. Vermutlich nichts. Gastronomischer Dadaismus.
    Ich grinste also, als wir die
Abdullah-Bar
betraten, nahm sonst nichts großartig wahr. Sedler sah mich an, grinste ebenfalls aus mir nicht transparenten Gründen.
    »Ja,
solche
Bars gibt’s in Marbrunn nicht.«
    Wir betraten den dunkelrot-plüschigen Laden, mir wurde ein bißchen unbehaglich, aber ich dachte noch immer an das
Tannhäuser
, versuchte, mich an den Namen des Wirtes zu erinnern, trottete hinter Sedler her. Irgendeine Jahreszeit. Winter. Sommer.
Sommer.
Jørgen Sommer. Natürlich. Sedler begrüßte ein paar Leute, einen Türsteher, einen monströsen Türken, der ebenfalls bayerisch
     sprach, und hauptsächlich Frauen, die alle spärlich gekleidet waren, lingeriemäßig.
    Scheiße, wir waren in einem Puff
.
    Loisl Sedler zog mich zu einem Tisch, Plüschsitzbank im Halbrund, elektrische Kerzen. Es hockten sieben oder acht Gäste in
     der
Abdullah-Bar
, kaum erkennbar im trübroten Halbdunkel. Gerade als wir uns setzten, begann Musik, und eine Frau betrat die Bühne. Striptease.
     Scheiße, wir waren wirklich in einem Puff.
    »Bier?« fragte Sedler, ich nickte schwach, starrte auf die Bühne. Mir wurde ein bißchen schwindlig, das war die doppelte Vergangenheitskiepe,
     zu viel an einem Tag. Ich stand auf, ging zum Ausgang, fragte nach dem Klo, schaffte es bis hin, bevor mir die Beine einknickten,
     schloß mich ein. Dann brach es aus mir heraus, ich heulte, minutenlang, ohne dabei an etwas Spezielles zu denken, das war
     nicht nötig, es kam in kräftigen Schüben, schüttelte mich. Und dann war es einfach |182| vorbei. Als wäre noch etwas in mir gewesen, etwas, das sich aufgestaut hatte.
    Ich blieb noch ein paar Minuten auf dem schwarzgefliesten Klo, dann fühlte ich mich besser. Sedler sah mich seltsam an, als
     ich zurückkam.
    »Was tun wir hier?« fragte ich schließlich.
    »Geschäfte«, antwortete Sedler vieldeutig. Er nahm einen Schluck Bier. Meines hatte keine Krone mehr, aber ich kippte es trotzdem.
     Eigentlich trank man Sekt in Puffs, oder Champagner. Aber mit den Mädels. Glücklicherweise saßen keine an unserem Tisch. Noch
     nicht?
    Sedler deutete auf die Bühne. »Das mußt du sehen.«
    Mußte ich nicht. Die Flaschennummer. Hatte ich mal in Amsterdam erlebt. Erst ein Striptease. Dann eine Piccolo, eine halbe
     Flasche (0,375), eine ganze und eine Magnumflasche Champagner, anderthalb Liter. Eingeführt bis zu der Stelle, an der der
     Hals in den Bauch übergeht – von der Flasche, natürlich. Nicht sehr lustig, vor allem aber nicht erotisch. In Amsterdam war
     die Magnumflasche steckengeblieben. Vakuum-Effekt. Ein sich vor Lachen kringelnder Feuerwehrmann hatte den Behälter mit einem
     kleinen Hämmerchen zerschlagen. Die Tänzerin fand das nicht so riesig komisch.
    Ich saß da und kam mir redlich fehl am Platze vor. Nach dem dritten Bier und einer ebenfalls nicht sehr erotischen Lesben-Nummer
     wandte Sedler sich mir zu.
    »Die Burschen verstehen
nichts
vom Rundfunk«, erklärte er.
» FunFun Radio
steht kurz vor dem Konkurs. Selbst mit der zweiten Frequenz wird der Sender nicht überleben können.«
    Ich sah ihn an und nickte langsam. Das wußte ich auch schon. Um mir das zu erklären, hätte mich der schmierige Bauunternehmer
     nicht in diesen ekelhaften Schuppen schleppen müssen.
    »Ich habe ein ziemlich gutes Übernahmeangebot. Wir könnten an
Bavaria-Eins
verkaufen und mit einem blauen |183| Auge aus der Sache kommen. Mit der zweiten Frequenz bliebe sogar noch etwas übrig.«
    »Läßt das denn die Landesmedienanstalt einfach so mit sich machen? Kurz nach dem Zuschlag Verkauf an die fast landesweite
     Kette?«
    Sedler lachte laut und unmelodisch.
    »Gottchen. Dies ist
Bayern
. Hier wird Politik nicht in den Gremien gemacht, oder in den Landratsämtern.«
    Er ließ offen,
wo
die Politik seiner Meinung nach gemacht wurde, aber er nahm wahrscheinlich an, daß die
Abdullah-Bar
zu diesen Orten zählte.
    »Warum erzählst du mir das?« fragte ich, hatte inzwischen Schwierigkeiten damit, den Mann zu duzen. Ich erfreute mich an der
     Vorstellung,
ihn
bei der Flaschennummer auf der Bühne zu sehen.
    Der riesige Türke brachte mir ein neues Bier, flüsterte mit Sedler, Sedler schüttelte den Kopf, machte eine Geste, die ich
     als
› Später vielleicht
‹ deutete.
    »Wir

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