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Radio Nights

Radio Nights

Titel: Radio Nights Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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ich auf jeden Fall nach Berlin zurück.
     
    »Ich will nach Berlin zurück«, verkündete ich, als wir uns gerade einkleideten, um in den
Brückenkopf
zu gehen.
    Liddy zog eine Augenbraue hoch, das dazugehörige Auge strahlte skeptisch-grün.
    »Echt? Wann?«
    »So bald wie möglich.«
    »Warum?«
    »Das ist meine Stadt, da gehöre ich hin. Hier bin ich doch nur Gast.« Ich spuckte das Wort regelrecht aus. Gast.
Kunde
. Sedler hatte mir das gute Gefühl, in Marbrunn zu sein, ziemlich vermiest.
    »Und was willst du machen?« fragte sie mürrisch.
    Ich schob mich in die gefütterte Jacke, das Gefühl war immer noch ungewohnt. Betrachtete mich im Spiegel, um Liddy nicht ansehen
     zu müssen.
    |187| »Mal sehen. Lindsey auftreiben, falls er überhaupt noch in Deutschland ist. Ein paar von den anderen Leuten. Vielleicht sogar
     mit Vögler reden.«
    »Fick«, korrigierte sie. Ich nickte, grinste vor mich hin. Fick. Hieß das Arschloch doch tatsächlich
Fick
. Nicht Vögler wie ficken, sondern Fick
wie vögeln
. Ursprünglich jedenfalls.
    Liddy griff meine Schulter und drehte mich zu sich.
    »Kannst du eigentlich an nichts anderes denken? Gibt es wirklich nichts außer Radio für dich? Ist dir bewußt, daß man auch
     fasziniert von einer Sache sein kann, ohne
alles
andere zu ignorieren? Ein paar Leute schaffen das.«
    Ich zog die Stirn kraus. »Was meinst du?«
    »Das weißt du nicht? Hast du nicht einmal eine Ahnung?«
    Nach einer kurzen Pause antwortete ich: »Nö.« Ich wußte wirklich nicht, worauf sie hinauswollte. Wahrscheinlich. Vielleicht
     wollte ich es nicht wissen. Es war der falsche Zeitpunkt, mein Lebensparadigma in Frage zu stellen.
    »Dir ist nicht zu helfen«, sagte sie, recht leise, schob mich aus der Tür. Im Spiegel sah ich noch kurz ihr Gesicht. Es sah
     traurig aus. Glaubte ich. War aber vielleicht nur eine Täuschung.
     
    Liddy verschwand nach einem gesprächslosen Bier, verabschiedete sich mit einem kaum spürbaren Wangenkuß; etwas später saß
     ich mit Charlie an einem Tisch. Er hatte noch ein paarmal versucht, mich dazu zu überreden, eine Sendung zu machen, und irgendwann
     aufgegeben. Wir redeten über die neue Frequenz, widerwillig, was mich anbetraf. Charlie war euphorisch.
    »Mann, doppelt so viele Hörer. Fast der gesamte Landkreis. Damit müßte es klappen.« Er strahlte. Ich kämpfte einen Moment
     lang mit mir selbst – es war nur fair, nicht die Schnauze zu halten.
    »Sedler will euch verkaufen.«
    Sein Gesicht fiel zusammen.
    |188| »Er dealt schon mit
Bavaria-Eins
. Mit der zweiten Frequenz hat er eine bessere Basis. Irgendwie hat er da getrickst, aber frag mich nicht, wie genau.«
    Charlie japste, Schweißperlen bildeten sich auf seiner Glatze. »Woher weißt du das?«
    »Er hat es mir selbst erzählt.« Ich berichtete von dem Abend in der
Abdullah-Bar
.
    »Verflucht. Das kann er nicht.«
    »Bist du da sicher?«
    Er sah mich an, der dicke, gemütliche Junge,
Bursche
. Dann schüttelte er langsam den Kopf.
    »Wir sind ohnehin verschuldet. Mit Sedler stehen und fallen die Kredite, vielleicht fällt Sedler selbst bald. Er kann uns
     ziemlich unter Druck setzen. Wir verlieren alles, wenn er den Hahn abdreht. Alles. Es gibt keine andere Lösung, die Brauerei
     hat abgewinkt – wir haben es versucht. Ihnen die Hälfte geboten.«
    »Verkauft«, sagte ich. »Das ist das beste, was ihr tun könnt. Sonst verliert ihr die Läden, die Disco. Ihr könnt sogar im
     Knast landen – als Geschäftsführer, Sedler hält schließlich nur Anteile. Schon mal was von Konkursverschleppung gehört?«
    Charlie schüttelte traurig den Kopf. Ich war selbst kein Geschäftsmann, bin nie einer gewesen, Gott sei’s getrommelt, aber
     so viel wußte ich schon.
    Der Abend verlief weiter in diesem Stil. Kranitz kam an, zum Schluß der blonde Hansi. Ich verabschiedete mich, ohne zu sagen,
     daß ich ganz weggehen würde, trank noch ein paar ungemütliche Runden im
Cellar
.
     
    Als ich am nächsten Morgen erwachte, war Liddy schon weg. Ich packte meinen Krempel, schrieb einen Zettel und stapfte zum
     Bahnhof. Sieben Stunden später stand ich vor meiner Wohnungstür. Da hing ein Briefumschlag, verkehrt herum, an meine Tür gepinnt.
     »Ruf mich an, Arschloch. DRINGEND. Ich bin in Berlin. Frank.« Und eine Telefonnummer.
    |189| Der Berg Post hinter meiner Tür war nicht so hoch, wie er vor einem Jahr noch gewesen wäre. Ich schob ihn beiseite. Es war
     kühl, roch ungemütlich. Ich schraubte die

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