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Radio Nights

Radio Nights

Titel: Radio Nights Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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könnten den Marktwert noch erhöhen«, sagte er. Er nickte dabei, grinste mich an. »Ich würde mich das auch ein bißchen
     was kosten lassen.«
    Ich starrte ihn an, sagte nichts, war fassungslos, aber nicht mehr überrascht. Immerhin, im Gegensatz zu Vögler gab es hier
     kein Spielchen, kein Vortäuschen, keine hinterfotzige Kumpeltour. Sedler sagte frei heraus, was er wollte, wie er es wollte
     und von wem.
    »Deine Sendung war gut. Ein himmelweiter Unterschied zu dem, was die Burschen sonst produzieren. Wenn du das jeden Tag machen
     könntest, nur für ein paar Wochen, ginge der Kurs nach oben.«
    Ich winkte dem Türken.
    »Können Sie mir ein Taxi rufen, bitte?«
     
    Liddy saß noch immer vor ihrem Computer, winkte mir zu, ohne sich zu mir umzudrehen. Ich war auf hundertneunzig, stinkwütend,
     fühlte mich plötzlich um Wochen zurückgeworfen |184| – und unwohl in diesem Ort, der mir bis zum Nachmittag noch so behaglich vorgekommen war.
    »Dieser Sedler ist das allerletzte Arschloch«, donnerte ich.
    Sie nickte nur.
    »Er will den Sender verkaufen, aber vorher soll ich ihm noch dabei helfen, den Marktwert zu steigern.«
    Lydia drehte sich zu mir um. »Was hast du denn gedacht? Daß Sedler nur einen mit dir trinken will? Der macht nichts einfach
     so.«
    »So ein Arschloch«, wiederholte ich. Mir taten die Jungs leid, die
Burschen
, diese drei blauäugigen Glücksgastronomen, für die die Welt nur aus Leuten bestand, mit denen man befreundet ist – oder feiert.
     Oder beides.
    »Mach dir nicht zu viele Gedanken.«
    »Nicht?«
    »Ich habe hier was für dich«, erklärte sie, hob ein paar Blätter vom Schreibtisch. »Dein Vögler hat nicht immer Vögler geheißen.«

|185| 3. Sympathy For The Devil Januar
1996
    Sedler hatte eigentlich recht. Die Burschen verstanden nichts, null, nada, niente von Radio. Wer einen Pinsel und eine Leinwand
     hat, ist damit noch lange kein affengeiler Maler. Ein Paar komische Schuhe und ein Tutu machen noch keine Ballerina. Zwei
     Plattenspieler und ein Mixer sind noch keine Radiostation. Leute wie Lindsey Cunningham gab es nicht ohne Grund auf dem Planeten.
FunFun Radio
Marbrunn war
Offener Kanal
auf leicht erhöhtem Niveau. Selbst wenn ich ein paar Sendungen fuhr. Vielleicht dann erst recht – es hätte den gleichen Effekt,
     wie auf meine Grundschulklasse gehabt: Das allgemeine Niveau sinkt, wenn Exponenten auftauchen.
    Es war wahrscheinlich eine gute Idee, die Station zu verkaufen. Wenn Sedler dreißig Prozent besaß, gehörten die restlichen
     siebzig den Burschen. Eine solide Pleite, und sie wären ihre Kneipen los, den
Brückenkopf
, das
Cellar
, den
Dompfaff
. Wenn
FunFun Radio
tatsächlich kurz vor dem Konkurs stand, dann müßten sie sich schnell entscheiden.
     
    Außerdem waren das alles nicht meine Probleme. Kranitz, Charlie und Hansi waren mir supersympathisch, aber nicht meine Freunde
     – sondern Bekannte in einem Ort, in dem ich Urlaub machte. Ich beschloß, diesen Krempel aus meinem Kopf zu verdrängen und
     mir langsam, aber sicher Gedanken über meine Rückkehr zu machen.
101,1 MHz PowerRock Berlin
verschwand im Quotenkeller. Und hieß nicht mal mehr so. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, daran etwas zu ändern. Vielleicht
     war irgendwas zu retten.
     
    Was Liddy anging, meinte ich, herausgefunden zu haben, daß sie
nichts
von mir wollte. Sie hatte mir einen Freundschaftsdienst |186| erwiesen, als Reminiszenz an die vergangenen Zeiten, eben weil ich ihr mal sehr viel bedeutet hatte. Wir näherten uns nicht
     an, und wir entfernten uns nicht, gingen freundschaftlich miteinander um, und es war keine Vermeidung des Themas Liebe, wie
     ich erst vermutet hatte: Das Thema existierte einfach nicht, nicht mehr. Ich fühlte mich unendlich wohl in ihrer Gegenwart,
     aber ich starrte ihre Beine nicht mehr an und verlor mich nicht in ihren grünen Augen; um ehrlich zu sein – ich mied sie sogar,
     die Augen. Mir fehlte das Recht. Irgendwie. Glaubte ich.
    Freundschaft nennt man das wohl, sagte ich mir. Geht eigentlich nicht zwischen Mann und Frau, höchstens, wenn einer von beiden
     über hundert ist, behaupten viele. Geht doch, behaupte ich. Wenn man will. Wenn man nichts anderes will. Ich wollte
nichts
, befand mich ohnehin zu tief im Gedankenwirrwarr, und ich schätzte, Liddy ging es ebenso. War eigentlich sicher. Wenigstens
     in einer Sache wollte ich mir ein bißchen sicher sein … Liddy hatte doch gesagt, daß sie mich nicht vermißt hatte.
    Außerdem wollte

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