Radio Nights
kommendes Jahr, aber ich begann
tatsächlich damit, über mich nachzudenken und darüber, wie es weitergehen sollte. Darüber, was mich in Berlin erwartete, in
ein, zwei, drei Wochen. Irgendwann. Demnächst.
An einem Nachmittag saß ich in dem kleinen Café in der Fußgängerzone. Ich hockte da öfters, las, blätterte durch amerikanische
Magazine, durch die Radio-Fachzeitschriften, die mir Kranitz gab, der Wuschelkopf, legte sie aber wieder weg, als ich auf
ein Interview mit Vögler wie ficken stieß. Das Zeug war, davon abgesehen, sowieso nicht lesbar. Die Redakteure waren nicht
einmal die berühmten Einäugigen unter den Blinden. Sinnloses Geseire über Werbeanteile, Musikanteile, Zusammenlegungen, Mantelprogramme,
all diesen unwichtigen, zweitrangigen Schrott.
Formatradio – die Serie, Teil IV
. Hauptsache, eine Fachzeitschrift machen. Daß von denen keiner wirklich
vom Fach
war, schien niemanden zu interessieren. Gibt es eigentlich eine Fachzeitschrift für Redakteure von Fachzeitschriften? Vermutlich.
|177| Zwei Typen saßen am Nebentisch, und ich war hellhörig geworden, weil die beiden erstens ständig lachten und außerdem nicht
den örtlichen Dialekt sprachen,
bayerisch-light
. Immerhin, ich war in Franken, was zwar einige Eingeborene als nicht zu Bayern gehörig betrachteten, aber ich hatte schon
meine Schwierigkeiten, schnell Gesagtes zu verstehen; alle bemühten sich – in meiner Gegenwart –, deutlich und langsam zu
sprechen, machten sich auf diese Weise nett über mich lustig. Die beiden allerdings sprachen hochdeutsch und außerdem so laut,
daß ich zuhören
mußte
. Ich unterdrückte den Impuls, mich zu beschweren. Es dauerte nicht lange, da lachte ich mit. Sie sprachen über kein spezielles
Thema, sondern warfen sich gegenseitig die Bälle zu, Stichworte, Bonmots, Schlagzeilen, und der jeweils andere kommentierte
dann. Einer von beiden hatte ein Yellow-Press-Magazin vor sich,
Das Goldene Blatt
oder so was, eines dieser Blättchen, von dem ich nicht verstand, wer es kaufte oder warum. Jedenfalls las er vor, daß irgendeine
Prinzessin ihren Zukünftigen beim Seitensprung erwischt hatte. Der andere sah kurz auf seinen Teller und sagte dann: »Seitensprünge
sind wie Hackepeterbrötchen. Erst hat man Heißhunger, aber beim zweiten Bissen schmeckt’s schon nicht mehr so, wie man es
sich vorgestellt hat. Dafür stinkt man lange aus dem Hals und hat ewig kleine Fleischfetzen zwischen den Zähnen.«
So ging das pausenlos. Ich beömmelte mich. Leider waren die beiden verschwunden, als ich vom Klo kam.
Am gleichen Abend klingelte das Telefon, während ich mit Liddy zu Abend aß. Es war Sedler, der Bauunternehmer, dreißigprozentiger
Anteilseigner von
FunFun Radio Marbrunn
. Er wollte sich mit mir treffen. Da nichts anderes anstand und Lydia zu tun hatte – Recherche am Computer, sie hatte da etwas
wunderbar Neues, Schweineteures, das sich
Internet
nannte –, verabredete ich mich sofort mit ihm. Eine halbe Stunde später hupte es.
|178| »Das ist Sedler«, sagte Liddy. »Der käme nie auf die Idee, zu klingeln.«
Ich schlüpfte in meine neue Wildlederjacke, von der ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte, sie jemals in Berlin zu tragen,
küßte Liddy auf die Wange, atmete ihren Duft ein, was sich gut anfühlte. Sie saß bereits vor ihrem PC und hackte so schnell
auf der Tastatur herum, daß ich kaum glauben konnte, daß dabei etwas Sinnvolles zustande kam.
»Was machst du?« fragte ich noch, während es zum zweiten Mal hupte.
»Ich suche Daten über jemanden. Eine kleine Affäre.«
»Von hier aus?«
»Klar. Mit dem Computer kann ich weltweit Verbindung mit anderen Computern, Datenbanken aufnehmen.«
»Cool.« Ich drehte mich um, wollte schon gehen. Plötzlich hatte ich einen Gedanken, eine Idee. »Sag mal, du kannst da nach
Informationen über Leute suchen?«
Sie nickte. »Und wenn man Glück hat, findet man auch was. Es ist nicht so, daß ich an die Datenbanken des BKA komme oder so.
Aber es
kann
ergiebig sein.«
»Könntest du mir einen Gefallen tun?«
»Jeden.«
»Vögler wie ficken. Helmut. Schau doch bei Gelegenheit mal, ob du über den was findest.«
Sie zog die Stirn kraus. Machte sich dann aber eine Notiz. »Vögler
wie ficken
. Helmut. Ich seh’ mal nach.«
Sedler saß in seinem blauen Porsche und telefonierte. Ich stapfte zur Beifahrertür und hatte einen Kommentar auf den Lippen,
weil das Auto zur Jahreszeit und
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