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Radio Nights

Radio Nights

Titel: Radio Nights Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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insbesondere zur Straßensituation so was von überhaupt nicht paßte, daß es fast lächerlich
     war. Was heißt
fast
. Er hätte mich besser auf Langlaufskiern abgeholt. Ich wußte nicht viel von Autos, aber in dieser Zighundert-PS-Beule mit
     Breitreifen würde ich mich in etwa so sicher fühlen wie in einem usbekischen Knast. Die Straßen waren spiegelglatt, vor drei
     Tagen hatte |179| es Eisregen gegeben. Ein Spähpanzer wäre angemessener gewesen. Mit dicken Ketten.
    »Hallo«, sagte ich, als ich einstieg, und wollte weiterreden, aber Sedler hatte den Finger zum Mund gehoben.
    Er nickte, sagte zweimal
» Joa «
und dann noch irgendwas Bayerisches, das ich absolut nicht verstand. Oachkatzlschwoaf. Die wenigen echten Bayern, denen ich
     bisher begegnet war, hatten es lustig gefunden, daß wir Preußen sie nicht verstanden. Sedler nickte und legte auf. Er grinste
     mich breit an.
    »
I
hob grod de zwoate Frequens füras FunFunRadio kloagmacht.
« – »Ich habe gerade die zweite Frequenz für
FunFun Radio
klargemacht.« Sedler war der einzige hier, der richtig heftigen Dialekt sprach. Er kam sicher nicht aus der Gegend.
    »Schön. Da werden sich die Jungs aber freun.«
    Er zwinkerte mir zu, antwortete aber nichts, sondern legte den Gang ein und fuhr vorsichtig los. Natürlich war der Motor die
     ganze Zeit über gelaufen. Der Sportwagen rutschte ein bißchen hin und her, dann gab Sedler Gas. Das Wetter schien ihn nicht
     zu interessieren – nach ein paar Minuten hatten wir Marbrunn verlassen und schossen mit zwei Millionen Stundenkilometern über
     eine stockdunkle, kurvenreiche und eisglatte Landstraße. Offensichtlich konnte der gute Mann mit dem Auto umgehen. Hoffte
     ich zumindest.
    »Wo fahren wir hin?« fragte ich irgendwann.
    »In eine Bar, in der du noch nicht warst«, erklärte er, setzte ein Glucksen hintenan.
    »Oha.«
    Wir fuhren ein paar Minuten, plötzlich sagte Sedler: »Du kannst Loisl zu mir sagen.«
    Loisl. Alois. War mir neu.
    »Klasse.«
    Dann schwiegen wir weiter, ich hatte keine Lust, ein Gespräch zu beginnen. Wir fuhren durch finsteren Wald, draußen gab es
     nichts zu sehen, aber den Tacho wollte ich auch |180| nicht anstarren, also schloß ich die Augen, dachte ein bißchen nach. »Ehemaliger Erfolgssender kämpft mit den Quoten.
PowerStation Berlin
nach Restrukturierung von eins auf vier.
Wir rollen das Feld von hinten auf
. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Helmut Vögler.« Ohne
wie ficken
. Es hinterließ einen sehr, sehr faden Nachgeschmack, damit in der Jetztzeit konfrontiert zu werden. Und ich war traurig,
     ganz plötzlich. Schade drum. Schade um Lindsey, Hagelmacher, Suszanna, Alexander, die Technikdiva. Was aus denen wohl geworden
     war?
    »Mia san do«, bayerte Sedler. Wir waren also da, so viel verstand ich.
    Es war nicht viel zu sehen, ein paar Häuser, wir parkten direkt vor einem.
Abdullah-Bar
. Eines dieser Standard-Neonschilder, wie sie von den Brauereien geliefert werden. Eine Villa, ein großes Wohnhaus.
    Abdullah-Bar
. Ich mußte an einen Aufenthalt in Kopenhagen denken, eine seltsame Nacht mit ein paar Leuten von einem kleinen dänischen
     Sender, die mich eingeladen hatten, aus Roskilde, meinte ich zu erinnern. Wir waren in einer Kneipe namens
Tannhäuser
gelandet – offensichtlich ein berühmter Schuppen. Ein sehr schräger Wirt im speckigen Anzug und mit einem Fez auf dem Kopf
     hatte uns begrüßt. In dem Laden durfte man nicht selbst entscheiden, was man trinken wollte. Schließlich war man
Gast
. Der Wirt entschied, brachte einen Whisky, der am Tag der eigenen Geburt abgefüllt worden war, solche Sachen. Das war frühe
     Erlebnisgastronomie,
the Danish way
. Zur Freude der anderen Gäste wurden einzelne erwählt, eine Prüfung abzulegen für das offensichtlich heißbegehrte
Abdullah-Diplom
– warum das so hieß, wußte niemand. Früher hatte diese Prüfung darin bestanden, daß man einen Chinaböller in den Arsch gesteckt
     bekam, den der Wirt im letzten Moment löschte, manchmal aber auch nicht. Außerdem gab es Peitschenhiebe; Fotos von diesen
     Geschehnissen hingen an der Wand. Diese Art Prüfung war verboten worden, statt dessen gab es jetzt |181| einen
Abdullah-Cocktail
zu trinken (fünfundneunzigprozen tiger Alkohol, aufgefüllt mit Tabasco, ein Typ mit offenem Magengeschwür hatte
heftig
zu kämpfen im Anschluß), danach mußte man sich auf ein Nagelbrett legen, bekam den schwersten Gast auf die Brust gestellt,
     für zehn Sekunden, die der Wirt

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