Radio Nights
größten Programmer von
allen.«
»Aha.«
»Außerdem konnte ich nicht weg. Eine kleine Nutte hat versucht, mir ein Kind anzuhängen.«
Ich lachte, gegen meinen Willen.
»Das war
nicht
lustig.« Dann lachte er auch. Der Bann war gebrochen.
Was er mir dann erzählte, war hochinteressant.
»Vögler braucht dringend Geld. Sein Konzept ist nicht aufgegangen. Er wandelt
PowerStation
in eine Aktiengesellschaft um und sucht händeringend nach Investoren. Irgendwelche Verhandlungen sind gescheitert, aber ich
weiß nichts Genaues.«
»Ach was«, sagte ich und grinste so breit, daß es fast weh tat. »Dann kann ich mit dem Gespräch ja noch ein bißchen warten.«
|197| 4. Coming Around Again Frühjahr
1996
Es war kein Problem, Lindsey zu überreden, und es war nicht das allergeringste Problem, mich selbst zu überreden. Ein paar
Telefonate, ein paar Gespräche, mein Steuer-und Anlageberater, Frank, Gewerbeamt, ein Broker, die Bank, solche Leute. Zwei
Tage später schlugen wir in Marbrunn auf. Kranitz, der Wuschelkopf, holte uns vom Bahnhof ab.
»Du
mußt
das nicht tun«, sagte er zur Begrüßung. Wir hatten stundenlang telefoniert, ich schleppte einen Sack voll Ersatzakkus mit
mir herum. Ganz so toll waren die Zeiten doch nicht. Nach zwanzig Minuten machte das knochenförmige Mistding die Beine breit,
energietechnisch.
»Ich weiß«, antwortete ich. »Aber ich
will
.«
Ich wollte Liddy nicht zur Last fallen, vor allem nicht mit einem zweiten Gast, und bezog mit Lindsey eine Suite im Domhotel.
Und ich mußte ihn im Blick haben, möglichst rund um die Uhr: Irgendwas stimmte nicht mit dem Collegeboy, obwohl er schon deutlich
besser aussah, jetzt, wo es etwas zu tun gab, aber er zitterte, konnte die Augen nicht gerade halten, wich Blicken aus.
Ein Münchener Anwalt regelte das Geschäftliche. Ich übernahm die Bürgschaften, zahlte einen Teil der Schulden zurück, wir
kauften Sedler aus, der viel dringender Bargeld nötig hatte, als alle ahnten. Trotzdem war es nicht leicht, ihn zu überzeugen,
vorsichtig gesagt. Er wehrte sich mit Händen und Füßen, bis ich anbot, die aktuelle Vertragssituation und alle Verstrickungen
von meinen Anwälten prüfen zu lassen. Da sagte er dann zähneknirschend zu.
Dreißig Prozent von
FunFun Radio
gehörten mir.
Ich besaß zum ersten Mal eine Radiostation.
|198| Eine Woche später war es soweit, daß wir das Team einweihen konnten. Auch in die Tatsache, daß die meisten von ihnen ihren
Job verlieren würden. Es gab Tränen, aber ein paar Leute waren auch froh, erleichtert. Sie wußten, daß sie nicht gerade dazu
beigetragen hatten, aus
FunFun
einen erfolgreichen Sender zu machen. Einige wenige hielten wir für ausbaufähig. Lindsey kaufte Platten, schrieb Programmschemata,
fütterte die Computer. Er liebte den Ort, die Kneipen, fühlte sich wie in Omaha, Boise, Manchester/New Hampshire. Hier konnte
er zum Helden werden.
Kranitz, Charlie und Hansi wurden vollständig abgemeldet. Wir hatten ihnen Stationsverbot erteilt, freundlich und einvernehmlich.
FunFun Radio
nahm sich eine zweiwöchige Sendepause. Zwei Wochen. In Berlin hatten wir das geschafft, warum nicht in Marbrunn? Wir sendeten
ein paar Bänder, hundertachtzig Minuten, in ständiger Wiederholung, mit Musik und der Ankündigung, daß es bald wieder Radio
gäbe für Marbrunn.
Neues
Radio für Marbrunn. Wie das heißen würde, sollten die Hörer entscheiden. Nicht mehr
FunFun Radio
, die Amateurzeiten waren vorbei. Einmal pro Stunde lief ein Trailer, in der ersten Woche, mit der Bitte um Vorschläge. Ein
Gewinnspiel. Eine Kiste
Marbrunner Dunkel
. Eine ganze Kiste. Wir bekamen kistenweise Post.
Liddy wahrte Distanz. Sie war zwar herzlich, begrüßte mich, umarmte, küßte mich auf die Wange, wenn wir uns trafen, ging dann
aber sofort wieder ihrer Wege. Ich sah sie selten im
Brückenkopf
oder im
Cellar
, und das kam mir ein bißchen komisch vor: Ich hatte nicht den Eindruck gehabt, sie wäre meinetwegen in die Läden gegangen,
als ich Urlaub in Marbrunn machte. Aber mein Kopf war voll mit anderen Dingen. Ich hatte eine Radiostation aufzubauen. Meine
eigene. Gut, sie gehörte mir nicht alleine. Aber wenigstens nicht mir und irgendeinem
Ficker
.
|199| Am Ende der ersten Woche sortierten wir die Vorschläge. Da waren obskure Sachen dabei, seltsame, abartige, lustige, interessante,
aber meistenteils Mist in der Richtung
Landfunk Marbrunn
oder so, aber wir planten kein
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