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Radio Nights

Radio Nights

Titel: Radio Nights Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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dem neuen |204| Logo, einem sehr coolen Logo, jeder
Cellar
-Besucher bekam eins, vorausgesetzt, er zog es sofort an. Ein paar Ganzseitige im
Marbrunner Anzeiger.
Eine Sonderkollektion des
Marbrunner Dunkel
mit
MBR
-Logo. Das war alles. Sedler erwischte mich an der Garderobe der Disco und zog mich beiseite, eine Viertelstunde vor Take-Off.
    » Sehr
geschickt«, erklärte er. Sein Gesicht war so dunkel wie der Schaum der örtlichen Bierspezialität. »Ich bin beeindruckt.
Domit hob i ehrli’ net g’rechnet .«
    »
I
aa net
, um genauso ehrlich zu sein«, gab ich zurück und feixte. Frank stellte sich neben mich und machte ein nervöses Gesicht. Scheiße,
     warum war der nervös?
Limited Frustrations
hatten in Tokio vor über vierzigtausend Leuten gespielt.
    »Es wird Zeit«, brummte er.
    Sedler sah ihn böse an, strahlte eine Art stämmige Macht aus.
    » Andererseits «
, erklärte Frank und verschwand.
    »Was immer auch passiert«, sagte Sedler. »Vergiß nicht, daß ich den Sender ermöglicht habe.«
    » Diesen
nicht«, antwortete ich, drehte mich auf dem Absatz um und folgte Frank zur Bühne.
     
    Wir standen zu fünft auf dem Podest, die drei Burschen, Lindsey und ich, hinter uns der Bühnenaufbau, zwölf Quadratmeter Platz
     insgesamt, in Tokio hatten sie wahrscheinlich ein, zwei mehr gehabt. Wir lauschten dem Countdown vom Band, das Publikum zählte
     laut mit, dann schaltete Hagelmacher, der als einziger im Studio saß, zu uns rüber. Es war totenstill.
    »Ich weiß nicht, was
euch
das bedeutet«, sagte ich. »Aber mir bedeutet dieser Moment
alles
.« Ich erwischte genau in diesem Augenblick zwei grüne Augen im Publikum, brach in Tränen aus, während ich vor Freude lachen
     mußte. »Ich hoffe, daß wir euch das geben können, von dem wir uns erhoffen, es euch geben zu können. Wir schlagen ein neues |205| Kapitel auf in der fränkischen Radiogeschichte.
MarBrunn Radio … go !«
Im Hintergrund der Bühne entrollte sich das Riesenposter mit dem Logo der Station. Das Publikum applaudierte freundlich, wir
     verneigten uns, während
Limited Frustrations
die Bühne betrat und sich an die Instrumente begab. Scheiße, ich hatte noch nicht ein einziges Stück von der Band gehört,
     nur ein Fitzelchen der Single im Trailer für die Ankündigung (Nummer eins in Japan, jetzt endlich auf großer Marbrunn-Tour!).
    Aber das war okay. Ich stolperte von der Bühne, berauscht und verwirrt, während die Single aus
Unsafer Sex
erklang. Ich nahm zwei Biere, ignorierte den Eindruck, den der erste Teil des Abends und die grünen Augen im Publikum hinterlassen
     hatten, das war alles zu schnell, zu früh, zu unwirklich. Ich lauschte der Band, die ich produziert hatte, und,
wow
, die waren wirklich klasse. Eine gute Stunde saß ich da, winkte jeden weg, der mich anquatschen wollte – und das waren viele
     -, hörte einfach zu, wurde ruhig, ließ wirken. Dann ging ich ein paar Häuser weiter, um ein Schnitzel zu futtern, schließlich
     hatte ich eine lange Nacht vor mir und den ganzen Tag noch nichts gegessen. Im Wirtshaus lief
MBR
, natürlich, das war ein
Event
, von völlig anderer Bedeutung, als es in Berlin, München, selbst
Hannover
gewesen wäre. Ich war der einzige Gast. Der Rest von Marbrunn tanzte im
Cellar
oder saß zu Hause vor dem Radio. Die Vorstellung hinterließ ein sehr warmes Gefühl bei mir.
     
    Mein Radiosender hatte den Sendebetrieb aufgenommen. Es war immer noch nicht die Art von Radio, von der ich träumte, dafür
     war dies der falsche Ort, außerdem gab es keinen Freiraum für Experimente, nicht in der Situation, in der sich der Sender
     befand. Aber es war ein guter Anfang – ein besserer, als es
PowerRock Berlin
gewesen war.
     
    Hagelmacher stand zappelnd hinter dem Empfangstresen und hielt zwei Telefonhörer, nickte und hörte zu, begann |206| Sätze, unterbrach sich selbst, nickte wieder. Er war aufgeregt; natürlich. Allen ging es so. Ich zog meine Hand am Hals vorbei,
     er sollte auflegen. Kurz vor halb elf, seine Sendung begann um fünf, eine halbe Stunde Vorbesprechung mit den beiden Redakteuren,
     Check der Beiträge, der vorgesehenen Live-Gesprächspartner, solche Dinge. Spätestens um vier wäre seine Nacht zu Ende, und
     was immer er auch tun würde: Einschlafen durfte er während der Sendung nicht. Die Röte in seinem Gesicht und seine Bewegungen
     zeigten allerdings ziemlich deutlich, daß er so oder so Probleme mit dem Schlaf haben würde: Sein Adrenalinspiegel endete
     irgendwo im

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