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Radio Nights

Radio Nights

Titel: Radio Nights Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Cunningham. Ich kann solches Zeug nicht ausstehen, aber was immer es ist – ich besorge es dir. Wenn du mir versprichst,
     nach dem Senderstart auszusteigen. Geh meinetwegen ein paar Monate in Therapie. Aber bis übermorgen mußt du durchhalten, vielleicht
     noch ein paar Tage länger.«
    Er glotzte mich an.
    »Woher weißt du das?«
    »Es steht auf deiner Stirn. Feuerrote Buchstaben. Du solltest häufiger in den Spiegel gucken.«
    Ich rief Frank an, der in München herumgurkte und nach Technik suchte – mich in Marbrunn nach dem Stoff umzusehen, hielt ich
     für keine sonderlich gute Idee, ich hätte nur die Jungs ansprechen können, und nach Charlies Reaktion im
Cellar
ließ ich das lieber. Als ich ihm sagte, was ich wollte, legte er auf. Zwei Minuten später rief er zurück.
    »Bist du total verrückt? Das ist ein verkacktes
Mobiltelefon
. Zehntausend Leute können da zuhören.«
    »Ach Quatsch. Ist alles digital. Verschlüsselt.«
    »Am Arsch hängt der Hammer.«
    Ich schwieg. Erklärte dann kurz, worum es ging.
    »Andererseits … wieviel Gramm brauchst du?«
    »Keine Ahnung. Was braucht ein Junkie für eine Woche? Ein
Kilo

    |202| »Eher zwanzig, dreißig Gramm. Hast du ein Glück, daß ich in München bin. Hier kann man den Dreck am Kiosk kaufen. Alle Münchener
     sind
drauf
. Anders ist das hier auch kaum auszuhalten. Ich habe immer gedacht, Kölsch ist das lächerlichste, was es auf dem Biermarkt
     gibt. Aber bayerisches Bier ist ja noch schlimmer. Kein Wunder, daß die Leute eine Nase voll dazunehmen.«
     
    Am Tag vor Sendebeginn bekam ich einen Anruf. Plan B sah inzwischen vor, daß ich nachmittags und nachts senden würde. Für
     den frühen Morgen gab es noch nicht die leiseste Idee.
    »Kommando Hackepeter«, sagte jemand. Ich stutzte kurz, atmete dann auf, war erleichtert, erfreut, überrascht.
    »Was willst du von uns?«
    »Wir brauchen euch. Morgen.«
    »Für was?«
    »Radio.«
    Schallendes, überaus fröhliches Gelächter.
    »Mannometer. Wir sind Kabarettisten, keine Radioleute. Wir haben Auftritte, vier, fünf Tage die Woche. Es ist ein absoluter
     Zufall, daß wir wieder in der Gegend waren. Karl hat den Spot gehört und erinnerte sich an das Hackepeterbrötchen.«
    »Wo seid ihr gebucht?«
    »Bayern, Hessen, Ba-Wü. Kleine Theater, Clubs. Warum?«
    »Wart mal einen Moment.«
    Zehn Minuten später hatte ich eine Zusage vom Marbrunner Fliegerclub. Zufälligerweise war der Vorsitzende auch Inhaber des
Marbrunner Domhof Bräu
.
    »Mögt ihr Hubschrauber?«
    »Gekocht oder fritiert?«
    »Wo auch immer ihr seid, ihr werdet in einer Stunde abgeholt.«
     
    Harmann und Grieberg gaben
MBR
den Zauber, der noch gefehlt hatte. Aus der Notgeburt wurde ein Wunschkind. |203| Von vierundzwanzig Stunden pro Tag war mehr als die Hälfte in Händen, in die ich meinen Säugling guten Gewissens legen konnte.
     Der Rest war … na ja. Kein pures Vabanque, aber mit Risiken behaftet. Charlie strotzte vor Nervosität, stand aber um acht
     Uhr morgens auf der Matte, dafür war Lindsey plötzlich so was von obenauf, daß ihn alle skeptisch ansahen. Frank arbeitete
     mit Kranitz im
Cellar
für die Eröffnungsshow. Der Sendestart war auf zwanzig Uhr angesetzt, zwei Stunden live mit
Limited Frustrations
und der Vorstellung des Sendekonzeptes. Dann zwei Stunden Harmann und Grieberg, als Vorgeschmack, eingeflogen aus Bayreuth
     oder so. Im Anschluß
Don FM Kunze
. Der Morgen stand noch auf der Kippe. Ich pendelte zwischen Hansi, der aber eigentlich zu langweilig war, und dem kurzfristigen
     Einkauf eines beschissenen Mantelprogrammes. Hagelmacher fand mich auf dem Weg zwischen dem
Cellar
und dem Studio.
    »Was ist mit dem Morgen? Wir haben noch niemand zwischen fünf und zehn.«
    Seine Stimme klang anders; es war das erste Mal, daß er mit mir sprach, seit er in Marbrunn war.
    »Hast du eine Idee?«
    »Ich habe Sprachunterricht genommen. Gesang. Ein bißchen Schauspiel.«
    Ich lachte. Hagelmacher lachte nicht, sah mich ernst an, schmallippig. Er scherzte nicht.
    »Okay«, sagte ich. »Warum nicht? Zu verlieren gibt es im Moment nichts. Wenn du durchfällst, können wir übermorgen noch auf
     den Mantel von
Syndication Germany
umschalten.«
     
    Der Rest ist Geschichte. Und zwar folgende. Das
Cellar
war zum Überlaufen voll. Wir hatten bis auf die Bänder, die bis kurz vor Start liefen, kaum Werbung gemacht. Zwar den Landkreis
     plakatiert und ein paar Aufkleber verteilt. Aber damit hatte es sich auch. Es gab T-Shirts mit

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