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Radio Nights

Radio Nights

Titel: Radio Nights Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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geärgert. Nur wer? Wahrscheinlich Sedler.
    Wer sonst?
    Und warum mußte ich hauptsächlich an den Brief von Liddy denken, statt mir wegen des Verprügeltwordenseins Sorgen zu machen?
     
    Ich bestand darauf, ins Hotel zurückzukehren; der erste Krankenhausaufenthalt meines Lebens sollte nur so lange dauern, wie
     wirklich nötig war. Es war auch das erste Mal, daß mich jemand verprügelt hatte. Die Statistiken kannte ich nicht, aber ich
     hoffte, mein Soll erfüllt zu haben. Toll war die Erfahrung nicht.
    Lindsey holte mich vom Taxi ab, wir gaben ein schönes Paar: Er blaß, ein bißchen zittrig, mit sehr hektischen Augen, verschwitzten
     Haaren, und ich – ja, wie sah ich eigentlich aus? Keine Ahnung. Ich wußte, daß sich das volle Ausmaß der Katastrophe erst
     am nächsten Tag zeigen würde.
    »Wer hat meine Sendung übernommen?« fragte ich als erstes.
    Lindsey zwinkerte nervös mit einem Auge. »Charlie. Es war niemand sonst da.«
    »Wie spät ist es?«
    »Drei.«
    »Wie ist er?«
    »Ein bißchen neben der Spur. Aber okay.«
    Dann waren wir ja schon zu dritt.
     
    Ich schlief lange nicht ein, und dann einfach beschissen. Als ich erwachte, war es allerdings taghell; mein Gesicht bummerte
     und pochte, mein Oberkörper variierte alle bekannten Formen des Schmerzes, und beim Pinkeln tat das Untergeschoß schrecklich
     weh. Ich zweifelte einen Moment an der Diagnose, daß da nichts verletzt sei.
     
    Dann sah ich mein Gesicht im Spiegel. Heilige Scheiße. Alle Farben des Regenbogens, Augenbrauen wie
Lippen
, die |220| Augen selbst hinter Schlitzen, verzerrter Mund. Aber die Nase war gerade. Wenigstens etwas.
    Eines amüsierte mich an dieser Sache. Also, ich fand es nicht wirklich lustig,
haha, kommt doch morgen noch mal wieder, das hat Spaß gemacht!
Doch die Tatsache, daß ich nicht beraubt worden war, daß die Jungs offensichtlich auf mich gewartet hatten, wies darauf hin
     – mehr als deutlich –, daß jemand glaubte, mich auf diese Art einschüchtern zu können. Hinzu kam, daß die Prügel anscheinend
     als Botschaft ausreichen sollten; derjenige oder diejenigen gingen also davon aus, daß mir von selbst einfallen würde, worum
     es ging. Was die Auswahl erheblich einschränkte.
    Es klopfte. Zwei Polizisten standen in der Tür, den einen kannte ich, weil er bei uns vorgesprochen hatte. Ich nickte vorsichtig,
     dann kamen die beiden rein und interviewten mich zur Sache.
    »Haben Sie eine Vermutung, wer dahinterstecken könnte?« fragte der jüngere, der Probeaufnahmen gemacht hatte und mich bei
     der Gelegenheit noch geduzt hatte, wie ich ihn natürlich auch.
    Ich zuckte die Schultern. »Vielleicht Sedler. Der ist ziemlich sauer auf mich, läuft herum und behauptet, wir hätten ihn ausgebootet.«
    Die beiden Polizisten sahen sich an.
    »Alois Sedler liegt in Bayreuth im Krankenhaus.«
    »Echt? Wie lange schon?«
    »Zwei Wochen.«
    »Kann er reden? Was hat er?«
    Der ältere zuckte die Schultern, wobei er Lindsey beobachtete, der mit zitternder Hand Kaffee einschenkte.
    »Geht es Ihnen nicht gut?« fragte er besorgt.
    Lindsey grinste, was in Anbetracht seines hektischen, gleichzeitig maskenhaften Gesichts ein bißchen seltsam aussah: »Fuck.
     Mir geht es
klasse
. Warum fragst du?«
    Der Probesprecher sagte: »Soweit ich weiß, kann Sedler sprechen. Was er hat, weiß ich auch nicht.«
    |221| »Wenn er reden kann, kann er hinter dem Überfall stecken. Prüfen Sie doch mal, was der Türsteher aus der
Abdullah-Bar
gestern abend gemacht hat. Der eine hatte seine Größe.«
    »Wollen Sie Anzeige erstatten?« fragte der ältere, er hatte beide Augenbrauen gehoben, als ich die Bar erwähnte.
    Ich nickte.
    »Dann müssen wir uns noch mal auf dem Revier treffen. Wir benötigen eine unterschriebene Aussage.«
    Ich nickte wieder, Lindsey brachte die beiden zur Tür. In diesem Moment klingelte das Telefon.
    »Kunze.«
    »Laß dir das eine Lehre sein. Und hör auf, dich in meine Angelegenheiten zu mischen.
Umgehend .«
    Der Anrufer legte sofort wieder auf. Aber ich hatte die Stimme natürlich erkannt, kein bayerisches Gehurze, sondern jemand,
     dessen einzige Verbindung zum Land darin bestand, daß er beim Bumsen muhte.
    Vögler.
     
    Lindsey kam an.
    »Was ist?« fragte er, nachdem er mich einen Moment lang prüfend angesehen hatte. Keine Ahnung, was ich für einen Gesichtsausdruck
     hatte; ich war konsterniert, überrascht, ein bißchen schockiert, hauptsächlich aber auf seltsame Art amüsiert. Was für

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