Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
nicht.
„ Wovor hast du am meisten Angst?“, frage ich Zoe, ohne auf ihre Vorwürfe einzugehen. Ich weiß, dass sie es nicht so meint.
Überrumpelt löst sich die Wut aus ihren Gesichtszügen und zurück bleibt bloße Verzweiflung.
„ Ich habe keine Angst. Aber ich will nicht von einem Fremden einen Samen eingesetzt bekommen. Ich will nicht schwanger sein und wissen, dass ich das Kind niemals sehen werde. Ich will Kinder, aber nicht so und nicht von irgendwem.“
Es geht also nicht einmal um die Befruchtung an sich, sondern mehr um die Aussicht, nie wirklich Mutter sein zu können und das Kind eines Fremden in sich zu tragen. Ich kann die Befruchtung zwar nicht verhindern, aber zumindest den Samenspender könnte ich verändern, jedoch hüte ich mich davor, das gegenüber Zoe zu erwähnen.
Sie greift verzweifelt nach meiner Hand. „Gibt es denn gar nichts, was du für mich tun kannst?“
Traurig schüttele ich den Kopf.
Sie lässt meine Hand los, legt sich auf das Bett und dreht mir den Rücken zu. „Dann wäre ich jetzt gerne allein.“
Ihre Abweisung tut weh, aber ich bin froh, dass sie nicht ausrastet und schreit oder Dinge verwüstet, denn dann würde man sie ruhigstellen und zur Not sogar am Bett fixieren. Die Nacht wäre umso schrecklicher für sie selbst.
Wortlos verlasse ich das Zimmer und laufe durch die Gänge der Krankenstation, jedoch nicht ziellos. Ich suche das Labor, in dem die Samenspenden aufbewahrt werden. Bei der Suche nach der Zelle von Z318 bin ich bereits an den Laborräumen vorbeigekommen, sodass ich sie auch jetzt bald wiederfinde. Sie sind leicht zu erkennen, da der Zugang durch eine Glastür abgesperrt ist. Jedoch brauche ich nur meinen Daumen auf den Scanner an der Tür zu legen, um mir Zutritt zu verschaffen. Das sind die Momente, in denen ich es wiederum liebe, Legionsführerin zu sein. Normalerweise wären die Laborräume zu dieser späten Tageszeit verlassen, doch heute werden die B-ler die Nacht durcharbeiten. Die Proben müssen nicht nur genommen, sondern auch beschriftet und sortiert werden. Dementsprechend irritiert sind sie auch, mich in ihren Räumen zu sehen. Ich erkenne den leitenden Arzt von den Konferenzen in der Legionsführerkugel wieder. Genau dieser steuert nun auf mich zu. Er verneigt sich respektvoll vor mir.
„ Legionsführerin A518, ich grüße Euch.“
„ Ich grüße Euch ebenfalls, B210.“
„ Was kann ich für Euch tun?“
„ Ich wollte euch nur etwas bei der Arbeit zuschauen. Das ist für mich die erste Paarungszeit, die ich aktiv und vor allem als Legionsführerin miterlebe. Ich hoffe, ich störe euch nicht bei eurer Arbeit.“
B210 nickt verständnisvoll. „Eine Legionsführerin stört nie. Wir freuen uns über Ihr Interesse. Sehen Sie sich ruhig um. Aber ich muss jetzt weiter.“
Er nickt mir kurz zu, bevor er eilig das Labor verlässt. Die arbeitenden B-ler wirken weniger erfreut über meinen Besuch. Für sie bin ich ein Störfaktor, zum einen, weil ich im Weg stehe, zum anderen, weil sie sich von mir kontrolliert fühlen. Ich bin sicher, dass jeder von ihnen seine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen und zur vollsten Zufriedenheit der Legion erledigt, aber ich kann mir gut vorstellen, wie nervös ich gewesen wäre, wenn in der Nahrungsvergabe damals ein Legionsführer aufgetaucht wäre, um unsere Arbeit zu begutachten.
Ich habe jedoch nicht vor, sie lange zu stören, ganz im Gegenteil, mich interessiert im Grunde nur der Ort, an dem die Proben aufbewahrt werden. Das große Regal ist kaum übersehbar. Es thront am Ende des Raums und ist durch eine Glastür verschlossen. Weißer Dampf von der Kühlung wabert rund um den großen Schrank.
Als ich die Tür öffne, gibt sie ein leises Zischen von sich und Kälte schlägt mir entgegen. Alle enthaltenen Reagenzgläser sind nach Klassifizierungen und Bezeichnungen sortiert. Das erste Reagenzglas trägt die Bezeichnung A489, das letzte D599. Es dauert nicht lange, da halte ich bereits das Glas mit dem Etikett D541 in den Händen. Verstohlen blicke ich über meine Schulter, um zu sehen, ob mich jemand beobachtet, doch alle scheinen völlig in ihre Arbeit vertieft. Niemand von ihnen würde je annehmen, dass eine Legionsführerin etwas Unrechtes tun könnte.
Zielstrebig fahre ich die Reihen der Reagenzgläser entlang zu der C-Klassifizierung. C515. Perfekt!
Vorsichtig löse ich beide Etiketten und klebe C515 auf das Reagenzglas von D541 und umgekehrt. Ich stelle das neue D541-Glas
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