Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
zurück.
„ Kann ich Ihnen helfen?“, ertönt es hinter mir und ich erschrecke so sehr, dass ich beinahe das Glas hätte fallen lassen. Ein junger B-ler aus meiner Generation hat sich hinter mir aufgebaut. Ich kontrolliere seinen Blick nach Misstrauen, doch er wirkt lediglich höflich und zuvorkommend.
„ Ich habe mir nur die Reagenzgläser angesehen. Es ist unglaublich, dass daraus mal ein neuer Mensch entstehen wird.“
„ Es sind nicht nur Menschen, sondern bessere Menschen. Wir untersuchen jede Probe auf Krankheiten oder Missbildungen. Bereits jetzt können wir die Größe eines jeden Menschen beeinflussen“, erklärt er stolz. Ich gebe mich weiter interessiert, während ich das Reagenzglas mit der Bezeichnung C515 zurück auf seinen Platz stelle.
„ Warum wird nicht auch zum Beispiel die Augenfarbe oder andere Merkmale in den Genen verändert?“
„ Würden wir jedes Merkmal gleichsetzen, wäre es nicht mehr möglich, die Verstoßenen zu identifizieren. Nur gute Menschen haben das Recht, das Aussehen der Legion zu tragen.“
Er sieht es als Ehre an, sich nicht von anderen zu unterscheiden. Auf diese Weise habe ich es nie gesehen und könnte es auch nicht. Schon vom ersten Moment an habe ich das warme Braun meiner Augen vermisst. Meine wahre Augenfarbe und nicht das künstliche Lichtblau. Es ist wie eine Maske, die den wahren Menschen dahinter verbirgt.
„ Danke für deine Hilfe“, erwidere ich freundlich und verlasse das Labor. Meine Arbeit ist getan. Das ist alles, was ich für Zoe tun kann. Ich kann sie nicht vor einer ungewollten Schwangerschaft bewahren, aber zumindest wird es nun nicht das Kind von irgendjemandem sein, sondern von ihr und Clyde. Seit ich zurück in der Legion bin, habe ich das Gefühl, dass die beiden eine besondere Beziehung zueinander haben. Es sind die kurzen Blicke, die sie einander zuwerfen, und der sanfte Klang ihrer Stimmen, wenn sie miteinander sprechen. Es ist die Sorge, die sie für den anderen hegen. Vielleicht täusche ich mich auch, immerhin habe ich nicht viel Erfahrung, was Gefühle angeht, aber vielleicht ist es gerade das, was mich Wahrheiten leichter erkennen lässt. Uns bleiben neun Monate, um einen Weg zu finden, dass Zoe ihr Kind behalten kann.
Bereits am nächsten Morgen gehen die Paarungskämpfe weiter. Heute habe ich das Gefühl, dass schon etwas mehr Leben in die Zuschauer geraten ist. Sie wirken gespannter auf das Schauspiel als noch am Vortag. Es ist eine Art Vorfreude in der Luft zu spüren, so zart und leicht wie die Flügelschläge eines Schmetterlings.
Heute ist die C-Klassifizierung dran. Obwohl es deutlich weniger C-ler als D-ler gibt, werden die Kämpfe trotzdem den ganzen Tag andauern, da gerade die Kämpfe der C-ler am längsten dauern werden. Sie sind die Erfahrensten von uns allen. Niemand kennt sich besser mit Kampftechniken aus. Ich zweifle nicht einen Moment daran, dass Clyde und Ruby zu den Siegern gehören werden, und genau so kommt es dann auch. Rubys Kampf dauert nur wenige Minuten. Von allen Kämpfern zeigt sie den größten Ehrgeiz. Da sie als Einzige von meinen Freunden aus der vierten Generation stammt, ist sie auch die Einzige, die die Paarungskämpfe schon einmal miterlebt hat, jedoch aus einer passiven Perspektive. Wieder frage ich mich, wie es für sie sein muss, nicht zu wissen, wer ihr Kind ist und wie es ihm geht. An der Art, wie sie kämpft, ohne Gnade oder Mitgefühl, erkenne ich, dass es schrecklich sein muss. Sie wird versuchen zu verhindern, dass ihr so etwas noch einmal widerfährt, koste es, was es wolle.
Am dritten Tag finden die Kämpfe der B-Klassifizierung statt. Sie überdauern lediglich den Vormittag, was daran liegt, dass die B-ler nur wenig trainiert sind. Ihre Qualitäten liegen auf anderen Gebieten, zudem gibt es nur wenige von ihnen. Deshalb nehmen alle Bewohner am Nachmittag für ein paar Stunden ihre Arbeit wieder auf. Eigentlich wollte ich diese Zeit nutzen, um Zoe zu besuchen, doch A350 macht mir einen Strich durch die Rechnung, indem sie mich zwingt, mit ihr die vergangenen Kämpfe zu analysieren. Sie zeigt mir die Schwachstellen der anderen Kämpfer und lobt geschickte Manöver. Der Nachmittag ist schneller vergangen, als ich es mir je hätte träumen lassen.
Erst am vierten Tag beginnen die Paarungskämpfe auch für die wenigen Legionsführer. Es war von vorneherein klar, dass ich gegen A566 antreten würde, denn er ist der einzige andere Legionsführer aus unserer Generation. Als
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