Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
sie mir nur vielsagend zu. Wie viel gibt es noch, was ich über die Legion nicht weiß?
Weiter geht es mit Berichten aus den anderen Sicherheitszonen. In der nördlichen Legion ist es zu Angriffen durch die Rebellen gekommen. Sie haben es geschafft, die Stromversorgung für mehrere Stunden lahmzulegen, sodass in der Sicherheitszone Panik ausbrach und es zu mehreren Toten, Verletzten sowie auch Flüchtigen kam. Die Rebellen konnten bisher nicht gefasst werden.
Ich erinnere mich an Raymond, der aus der nördlichen Legion kam. Bei dem Angriff auf dem Schwarzmarkt starb seine Frau. Sie war eine der Unglücklichen, die bei der Explosion nah an der Strommauer standen. Danach fehlten ihr ein Arm und eine komplette Gesichtshälfte. Raymond hielt sie in seinen Armen, bis sie starb. Ich wusste, dass er ihren Tod rächen würde. Es ist eher erstaunlich, dass er damit so lange gewartet hat. Gleichzeitig erwische ich mich dabei, dass es mich erleichtert, zu hören, dass er und die anderen Rebellen bisher nicht gefasst werden konnten. Offensichtlich habe ich mich nach wie vor nicht für eine Seite entschieden.
Es folgt ein Bericht des obersten Kämpfers unserer Legion. Zur Freude aller gab es bei uns keinerlei Komplikationen. Die Rebellen verhalten sich ruhig und auch innerhalb der Sicherheitszone kam es zu keinen Aufständen. Ähnliches weiß der leitende Mediziner zu erzählen. Die Insassen der Krankenstation gehorchen den Anweisungen und leisten keinerlei Widerstand. Sofort muss ich an Zoe denken. Bereits in der Sicherheitszone war sie in der Lage, sich gut anzupassen. Etwas zögernd hebe ich meine Hand. Irritiert blickt mir A489 entgegen. Offensichtlich ist es nicht üblich, seinen Vortrag zu unterbrechen, trotzdem erteilt er mir die Erlaubnis zu sprechen.
„ Wenn sich die Patienten der Krankenstation positiv entwickeln, wäre dann nicht eine Wiedereingliederung möglich?“
„ Nein“, entgegnet er sofort, ohne auch nur über meine Worte nachzudenken. Es folgt auch keine Erklärung seinerseits, sodass ich mich gezwungen sehe, weiter nachzuhorchen. „Und warum nicht?“
„ Sie haben ihre Chance vertan“, antwortet er gleichgültig.
„ Sind sie nicht auf der Krankenstation, weil man sie als krank eingestuft hat? Krankheiten sind heilbar“, entgegne ich in demselben besserwisserischen Tonfall, den A489 an den Tag legt.
Verärgert zieht er seine Augenbrauen zusammen. „Die Insassen der Krankenstation leiden nicht an körperlichen Krankheiten, sondern an Erkrankungen des Geistes, welche sich als irreparabel erwiesen haben. Eine Wiedereingliederung ist deshalb ausgeschlossen.“
Obwohl ich ihm deutlich ansehen kann, dass er von mir erwartet, endlich meinen Mund zu halten, fahre ich fort: „Man könnte die Patienten stundenweise ihrer alten Arbeit zuteilen, sodass man ihr Verhalten gegenüber ihren Mitmenschen beobachten könnte. Bei positivem Verlauf wäre eine Wiedereingliederung nicht auszuschließen.“
Ich sehe, wie die Lippen von A489 vor Wut beben und seine Hände sich zu Fäusten ballen. Er muss sich schwer beherrschen, um diese nicht auf den Tisch zu knallen wie ein kleines, ungezogenes Kind. Doch stattdessen wendet er den Blick von mir ab und betrachtet von oben herab A350. Als er spricht, ist seine Stimme spitz und schneidend: „Mir scheint, du bist in der Lage, ihr die Grundregeln der Legion beizubringen.“
A350 zeigt sich jedoch unbeeindruckt von seinem verbalen Angriff. „A518 ist Legionsführerin. Sie hat ein Recht darauf, ihre freie Meinung mit uns zu teilen. Genau deshalb haben wir sie ernannt.“
„ Ihre Meinung ist von Grund auf falsch“, zischt A489 zurück, wobei er sich bedrohlich über den Tisch legt.
A350 lehnt sich stattdessen lässig in ihrem Stuhl zurück und geht auf seine Provokation nicht ein. „Ihre Meinung ist neu und kann uns dabei helfen, nicht die Kontrolle zu verlieren. Es ist wichtig, sich dem Wandel der Zeit anzupassen.“
„ Die Legion wird niemals die Kontrolle verlieren.“
„ Das hoffen wir alle.“
Obwohl das Gespräch damit beendet scheint, fixieren sie sich noch für einen Moment. Niemand will die Schwäche offenbaren, als Erstes den Blick abzuwenden. Um die Situation zu beenden, ergreift nun eine weitere Frau das Wort. Sie sitzt rechts von A350 und ist eine der ältesten Legionsführer. Ihre Bezeichnung ist A233. Sie räuspert sich, wobei ihr anzumerken ist, dass sie sich unwohl dabei fühlt.
„ Ich nehme an, wir können die Berichte damit
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