Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
ich ihm entgegen und spüre dabei Röte in meine Wangen steigen.
Doch A566 schüttelt nur weiter amüsiert den Kopf. Wieder ist es A350, die mir ihre warme Hand auf den Arm legt, um mich zu beruhigen.
„ Ich denke, wir sollten zurück zum Thema kommen“, versucht sie zu vermitteln. „Der Vorschlag war die Einführung von Nahrungsmitteln in der Sicherheitszone sowie eine gemeinsame Essensverteilung. Gibt es irgendwelche Meinungen dazu?“
A489 meldet sich erstaunlich sachlich zu Wort. „Würden wir die Lebensmittel einführen, müssten wir den Menschen auch erklären, woher sie stammen. Wie sollten wir das tun, wo sie doch in dem Glauben leben, dass alles oberhalb der Erde radioaktiv verseucht ist?“
„ Wir könnten ihnen die Wahrheit sagen“, schlägt A350 vor, bevor ich irgendetwas erwidern kann. Ihre Hand liegt weiterhin schützend auf meinem Arm.
„ Es würde sie überfordern“, wendet nun auch A233 ein. „Sie würden sich betrogen fühlen, so wie A518. Denn sie wüssten, dass wir ihnen etwas verheimlicht haben und das über einen längeren Zeitraum. Kartoffeln wachsen nicht von einem auf den anderen Tag. Das wissen selbst die Menschen in der Sicherheitszone.“
In diesem Punkt muss ich ihr recht geben, doch ich will nicht erfolglos aus der Konferenz gehen. „Wir könnten ihnen die Tabletten gemeinsam verteilen und ihnen dabei von der Forschung an Lebensmitteln berichten, sodass wir später auch mit dieser Vergabe beginnen könnten. Anhand der gemeinsamen Tablettenverteilung würden wir die Reaktion der Menschen darauf sehen.“
„ Und wie sollen wir ihnen die plötzliche Veränderung erklären?“, hakt A489 missbilligend nach.
„ Genauso, wie wir ihnen A518s Ernennung erklärt haben. Die Welt befindet sich im Wandel und die Legion geht mit der Zeit“, unterstützt mich A350.
„ Werden sich dann die Menschen nicht fragen, von welchem Wandel wir sprechen? Würden sie sich nicht unnötig Gedanken machen?“, entgegnet A489, weiterhin wenig überzeugt.
„ Nein, das würden sie nicht. Sie wären dankbar für jede Veränderung“, widerspreche ich ihm standhaft. „Ich spreche aus eigener Erfahrung.“
„ Ich denke, wir haben alle genug gehört, um uns selbst ein Bild darüber machen zu können. Deshalb sollten wir nun abstimmen“, beschließt A233. „Wer ist für die Einführung einer gemeinsamen Nahrungsvergabe in der Sicherheitszone?“
A350 hebt sofort mit mir die Hand, während die Hand von A489 natürlich eisern auf dem Tisch vor ihm liegen bleibt. Zu meiner Überraschung schließt auch A233 sich uns an. Nach wenigen Sekunden zähle ich zehn erhobene Hände gegen elf liegende. Wir haben verloren.
„ Gibt es Enthaltungen?“, fragt A233 zur Sicherheit in die Runde. Niemand meldet sich. Ich spüre wie A566 mich betrachtet und blicke in seine Richtung. Er grinst. Freut es ihn, mich scheitern zu sehen? Doch plötzlich hebt sich seine Hand.
„ Ich habe mich anders entschieden. Ich bin für die Einführung.“ Seine Augen fixieren mich. „A518 hat mich überzeugt.“
Somit sind wir elf gegen zehn, aber anstatt mich über A566s Sinneswandel zu freuen, überkommt mich das ungute Gefühl, dass er dafür irgendwann eine Gegenleistung fordern wird. Auch wenn wir nicht direkt einen Handel geschlossen haben, habe ich das Gefühl, in seiner Schuld zu stehen.
Die Konferenz ist beendet.
07. Es geht um Leben oder Tod
Heute ist der Tag, an dem ich zum ersten Mal in die Sicherheitszone zurückkehren darf, und nicht nur das, es wird auch mein erster offizieller Auftritt als Legionsführerin sein. Die neue Nahrungsvergabe wird durch drei Schalter im Atrium geregelt werden. Und meine Aufgabe ist es, diese zu eröffnen und den Menschen in der Sicherheitszone den neuen Ablauf zu erklären. Es war meine Idee und ich bin froh und stolz, sie schon so bald in die Tat umsetzen zu dürfen. Das Atrium wird nun zu dem werden, was es schon immer hätte sein sollen: Ein Platz der Kommunikation. Egal, welche Klassifizierung jemand erhalten hat, dort werden sie alle aufeinandertreffen. Es wird vor Menschen wimmeln und so werden wie von selbst auch Gespräche entstehen. Aus Gesprächen entstehen Meinungen und Gefühle. Diese winzige Veränderung wird den Bewohnern der Sicherheitszone ein Stück Menschlichkeit zurückgeben, davon bin ich überzeugt. Zudem ist es erst der Anfang.
Wenn die anderen Legionsführer erst sehen, wie gut die gemeinsame Tablettenvergabe funktioniert, werden sie sich auch nicht
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