Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
Legionsführer der fünften Generation.“
Obwohl er bei seinen Worten lächelt, scheint er mir meine bloße Anwesenheit übel zu nehmen.
„ Freut mich, dich kennenzulernen. Ich bin A518“, antworte ich ihm höflichkeitshalber.
„ Ich weiß“, erwidert er mit diesem undefinierbaren Lächeln auf den Lippen. „Ich freue mich, dass du jetzt zu uns gehörst.“
Obwohl er lächelt, wirken seine Worte nicht ehrlich, sondern wie auswendig gelernt. Mechanisch. Ich kann jedoch nicht sagen, ob es an seinem unsicheren Umgang mit Gefühlen im Allgemeinen liegt oder ob er bewusst lügt.
„ Habt ihr eigentlich darüber abgestimmt, ob ihr mich bei euch aufnehmt?“
Er runzelt die Stirn. „Warum willst du das wissen?“
„ Es wirkt so, als wären nicht alle mit meiner Anwesenheit einverstanden.“
Er hebt entschuldigend die Hände. „Das hast du gut erkannt, aber lass dich von den anderen nicht verunsichern. Du kannst beruhigt sein, denn ich habe für dich gestimmt. Wenn du dich mit mir gut stellst, hast du einen wahren Freund an deiner Seite.“
Ich bezweifle stark, dass er überhaupt weiß, was Freundschaft bedeutet. Woher sollte er auch? Doch umso komischer ist es dann, dass er dieses ihm fremde Wort benutzt.
„ Danke“, antworte ich ihm zurückhaltend.
„ Wenn du willst, fahre ich auch mit dir ins Atrium“, bietet er mir sogar an, doch ich schüttele schnell den Kopf. Ich würde mich nicht gut dabei fühlen, in seiner Schuld zu stehen.
„ Nein danke, so wichtig ist es mir nicht.“
Zumal ich nicht einmal wirklich in das Atrium, sondern auf die Krankenstation wollte. Doch das würde ich ihm niemals gestehen, dafür kenne ich ihn viel zu wenig. Vielleicht würde er es gegen mich verwenden.
„ Kein Problem, war nur ein Vorschlag“, entgegnet er schulterzuckend. Eine Geste, die er oft benutzt. Bei anderen Menschen wirkt ein Schulterzucken unwissend oder sogar unsicher, doch ihn lässt es erhaben wirken. So als würde er über allem stehen.
„ Danke dafür, das weiß ich zu schätzen, aber ich gehe jetzt auch zurück in mein Zimmer“, verabschiede ich mich.
„ Das ist eine gute Idee, du solltest morgen ausgeschlafen sein. Immerhin musst du noch viel lernen.“
Wenn Jep oder Pep diesen Satz gesagt hätten, wäre dabei ein freches Funkeln in ihren Augen gewesen, das mir gezeigt hätte, dass sie mich nur damit aufziehen wollen, doch A566 meint es ernst.
Ich nicke und drehe mich bereits um, als er mich kurz an meinem Ellbogen berührt. Seine Hände sind heiß. „Wenn du es dir anders überlegst, lass es mich wissen.“
Wieder nicke ich, jedoch ohne ihn anzusehen. Während ich zurück in mein Zimmer eile, kann ich seinen Blick auf meinem Rücken spüren. Er bohrt sich wie glühendes Metall direkt zwischen meine Schulterblätter. Erst als die Tür sich hinter mir schließt, bemerke ich, dass ich die ganze Zeit die Luft angehalten habe. Erleichtert atme ich aus.
Die Konferenz findet bereits am nächsten Tag in dem großen Sitzungssaal statt, in dem wir auch unser Essen serviert bekommen. Es sind alle zwanzig Legionsführer gekommen, dazu aber auch ein Arzt in grünem Anzug und ein Kämpfer in blauer Uniform. Leider ist es nicht Clyde. Ich hätte ihn gerne wiedergesehen. Es wäre schön, mit jemandem reden zu können, dem man ehrlich gegenüber sein kann. Was würde ich ihm sagen? Wahrscheinlich würde ich ihn als erstes nach Zoe fragen. Aber im Grunde ist es völlig egal, worüber wir reden würden, selbst einfach neben ihm zu sitzen und zu schweigen, würde sich gut anfühlen. Obwohl wir kaum ein Wort miteinander gewechselt haben, fühle ich mich ihm verbunden, mehr als irgendjemandem sonst. Mehr noch als Finn. Wir teilen die gleiche Vergangenheit. Clyde ist der Einzige, der mich verstehen kann.
Die Konferenz wird von A489 geleitet und beginnt mit einer Zusammenfassung der Ereignisse der vergangenen Woche. Das Highlight bietet dabei meine Ernennung. Die Legionsführer der nördlichen, östlichen und südlichen Legionen lassen mir ihre Gratulation ausrichten. Auch für sie ist die Situation neu. Was mich jedoch besonders überrascht, ist, dass die Zentrallegion mich willkommen heißt. Ich wusste bisher nicht einmal, dass es eine Zentrallegion gibt. Selbst über die anderen Legionen weiß ich erst durch meine Zeit bei den Rebellen Bescheid. Darüber werde ich unbedingt noch einmal mit A350 reden müssen. Wie üblich sitzt sie direkt neben mir, und als die Rede auf die Zentrallegion kommt, zwinkert
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