Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
abschließen, und kommen zu den Verbesserungsvorschlägen.“
Unsicher blickt sie in meine Richtung. „Möchte jemand beginnen?“
Ich kann mir ein Lächeln in A489s Richtung nicht verkneifen und hebe erneut meine Hand. Wenn es so weitergeht, wird er bald vor Wut auf den Boden stampfen. A233 erteilt mir das Wort.
„ Wir sprachen bereits beim Essen über die Einführung einer gemeinsamen Nahrungsvergabe sowie über eine Abschaffung der Tablettenversorgung in der Sicherheitszone, darauf möchte ich jetzt zurückkommen. Nach wie vor glaube ich, dass eine schrittweise Veränderung für die Menschen unerlässlich ist. Wir können sie nicht ewig wie Roboter halten.“
Ich erwarte einen weiteren Widerspruch von A489, doch stattdessen meldet sich A566 zu Wort, der neben A489 sitzt. Doch im Gegensatz zu A489 bleibt er ruhig und sachlich. „Du sprichst so, als würdest du glauben, dass wir die Menschen in der Sicherheitszone wie Gefangene halten. Hast du dich dort je gefangen gefühlt?“
Alles in mir möchte laut ‚ja‘ schreien, doch ich kann mich gerade noch beherrschen. Ich weiß, dass kein Legionsführer meine Antwort verstehen würde. Stattdessen würde ich sie damit nur gegen mich aufbringen. Zudem habe ich so eine direkte und dazu persönliche Frage nicht erwartet, sondern eher mit einer sofortigen Ablehnung gerechnet. Ich muss zugeben, dass mich A566 damit leicht aus dem Konzept bringt.
„ Nein, die Sicherheitszone ist unser aller Zuhause. Die Menschen kennen nichts anderes und sie sind froh darüber, in Sicherheit zu sein“, antworte ich wahrheitsgemäß.
„ Warum sollte man dann irgendetwas an ihrer Situation ändern? Du sagst selbst, dass du zufrieden warst.“
„ Ich war zufrieden, bis ich die Welt außerhalb der Sicherheitszone gesehen habe“, gestehe ich ehrlich. Vielleicht wird mir diese Aufrichtigkeit einmal das Genick brechen, aber ich war noch nie gut darin zu lügen.
„ Wie hast du dich dann gefühlt?“
Seine Fragen sind direkt und ich spüre, wie alle in dem Saal verstummen. Sie erwarten meine Antwort, halten förmlich den Atem an.
„ Ich fühlte mich betrogen.“
Einige der anderen schütteln aufgebracht den Kopf und flüstern erregt miteinander. A350 legt mir eine Hand auf den Arm und blickt mich alarmiert an. Ihre Augen flehen mich an zu verstummen.
A566 grinst mich stattdessen triumphierend an. „Und trotzdem sitzt du heute mit uns an einem Tisch. Siehst du darin keinen Verrat?“
Ich frage nicht, was er damit genau meint. Verrat an wem? Verrat an der Legion? Verrat an den Rebellen oder Verrat an mir selbst? Es ist genau die Frage, die ich mir selbst fast täglich stelle. Aber niemals kann etwas Verrat sein, solange ich mir selber treu bleibe und anderen gegenüber ehrlich bin. Ich mache keine leeren Versprechungen und spreche keine Lügen aus.
„ Ist es Verrat, für das zu kämpfen, woran man glaubt?“
„ Und woran glaubst du, A518?“ Die Art, wie er meine Bezeichnung ausspricht, hat etwas Belustigendes an sich. So als würde er mich und die ganze Diskussion nicht ernst nehmen, sondern mehr als Zeitvertreib oder Spiel ansehen.
„ Ich glaube an die Menschen der Sicherheitszone“, erkläre ich, und als mich niemand unterbricht, fahre ich fort: „Der Mensch braucht mehr als Sicherheit, Nahrung und eine Aufgabe. Er braucht etwas, für das es sich zu leben lohnt. Ein Ziel, eine Hoffnung, einen Traum oder ein Licht am Horizont. Menschen bleiben in ihrer Entwicklung nicht stehen, sondern wollen nach den Sternen greifen. Wenn man ihnen die Hoffnung nimmt, hören sie auf zu leben und werden zu Robotern. Das ist, was in der Sicherheitszone passiert. Doch wenn wir ihnen ein Ziel geben, werden sie vor Leben neu erblühen.“
Wieder ist es still geworden. Meine Worte scheinen die Legionsführer nachdenklich zu stimmen. Selbst A566 wirkt etwas verunsichert. „Was für ein Ziel soll das sein?“
Die Antwort ist für mich offensichtlich. „Es ist die Liebe.“
A566 bricht augenblicklich in schallendes Gelächter aus. Er klopft mit den flachen Händen auf den Tisch und kann sich vor Lachen kaum halten. Mehr Emotionen habe ich zuvor nie bei einem Legionsführer gesehen und gerade das macht mich wütend.
„ Die Liebe ist vielschichtig. Es gibt nicht nur die Liebe zwischen Geliebten, sondern auch Freundschaft, Familie oder die Liebe für einen Traum. Selbst die Liebe zu sich selbst ist das, was uns am Leben erhält. Das müsstest du doch eigentlich am besten wissen“, zische
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