Radioactive (Die Vergessenen) (German Edition)
nicht einmal suchen, denn er begegnet mir bereits auf dem Flur.
„ A518, was für eine Freude, dich zu sehen“, begrüßt er mich in seiner üblichen charmanten Art. Es fällt mir immer noch schwer, damit umzugehen, aber langsam gewöhne ich mich daran.
„ Ich freue mich auch, dich zu sehen, A566.“
„ Lass mich raten, du warst auf der Suche nach mir?“, grinst er mir frech entgegen.
Wieder überkommt mich das Gefühl, dass er mich in der Hand hält und alle meine Geheimnisse irgendwann gegen mich verwenden könnte. Aber daran darf ich jetzt nicht denken, wenn ich Finn sehen will. Deshalb gebe ich mich geschlagen und nicke schuldbewusst. „Stimmt, ich möchte D577 in der Sicherheitszone besuchen. Kannst du mir helfen?“
„ Nichts leichter als das. Ich besitze magische Finger“, erwidert er mit einem strahlenden Lächeln, das seine perfekten weißen Zähne entblößt und drückt mit dem Zeigefinger auf den Scanner des Aufzugs. Die Tür öffnet sich sofort.
Ich will bereits in den Aufzug steigen, doch A566 versperrt mir den Weg. Triumphierend funkeln seine Augen mich an. „Hast du nicht etwas vergessen?“
Ich weiß nicht, was er meint, gerate aber sofort in Panik. Möchte er eine Gegenleistung? Ich habe nichts, dass ich ihm zum Tausch anbieten könnte. A566 scheint die Verzweiflung von meinem Gesicht ablesen zu können, denn er zwinkert mir plötzlich schelmisch zu. „Ein kleines Wort würde mir schon reichen.“
Erleichtert atme ich aus. „Danke!“
„ War doch gar nicht so schwer“, lobt mich A566 und gibt mir den Eingang frei. Der Aufzug setzt sich in Bewegung, während wir einander schweigend gegenüberstehen. Normalerweise führt A566 unsere Gespräche, indem er mich mit einer Frage nach der anderen löchert, aber heute ist er ungewöhnlich still, seine Augen sind dafür umso wachsamer. Es scheint mir fast so, als würde er mich nicht einmal für eine Sekunde aus den Augen lassen. Als die Stille anfängt, unangenehm zu werden, frage ich ihn das, was mir als erstes in den Sinn kommt. „Wo warst du eigentlich in der letzten Nacht?“
Sein Gesichtsausdruck verändert sich schlagartig. Misstrauisch beäugt er mich. „Warum willst du das wissen?“
So kenne ich ihn gar nicht. Sonst prahlt er regelrecht damit, wenn er etwas Verbotenes getan hat. Er hält sich für wahnsinnig clever, so als könne er jeden und alles austricksen. Für ihn gelten keine Regeln, weil er immer Wege und Möglichkeiten findet, sie zu umgehen.
„ Ich habe dich gesucht“, erwidere ich ehrlich. Für einen Moment blickt er weiter prüfend in mein Gesicht, dann löst sich seine angespannte Haltung. „Tut mir leid, aber ich hatte etwas Wichtiges zu tun. Ich stehe dir nicht jede Nacht zur Verfügung.“
Obwohl er mir nicht länger zu misstrauen scheint, bemerke ich den spitzen Tonfall in seiner Stimme. So wie er den letzten Satz ausspricht, hört er sich an, als würde ich genau das von ihm erwarten. So als nähme ich seine Hilfe für selbstverständlich.
„ Ich weiß, aber ich bin dir wirklich dankbar für deine Hilfe. Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte“, gestehe ich ihm, um ihn mit meinen Worten zu besänftigen, zumal sie der Wahrheit entsprechen.
Die Aufzugtüren sind bereits seit einiger Zeit geöffnet, doch ich wage nicht, den ersten Schritt zu tun und warte darauf, dass A566 den Aufzug verlässt, doch er scheint kein Interesse daran zu haben. Stattdessen starrt er mich weiter prüfend an.
„ Es ist schön zu hören, dass du das weiß. Vergiss es auch nicht!“
Endlich verlässt er den Aufzug, doch der drohende Unterton in seiner Stimme jagt mir eine Gänsehaut über den Körper. Irgendetwas ist heute anders an ihm. Habe ich ihn womöglich verärgert?
Ich bin froh, als wir das Zimmer von D577 erreichen. Wieder brauche ich A566s Hilfe, um die Tür öffnen zu können. Doch er wartet damit.
„ Ich nehme an, du willst alleine mit ihm sein“, stellt er fest, jedoch nicht ohne deutlich zu machen, dass ihm die Aussicht, alleine im Flur herumzulungern, nicht gefällt. Wenn er jedoch mit in das Zimmer käme, könnte ich nicht so frei reden wie ohne ihn. Ich brauche die Zeit mit Finn alleine und kann deshalb keine Rücksicht auf die Wünsche von A566 nehmen.
„ Es wird nicht lange dauern“, versichere ihm.
„ Ich werde auch nicht lange warten“, entgegnet A566 kalt, öffnet aber die Tür. Wieder setzt er mich unter Druck. Ich weiß, dass, wenn er einfach ohne mich gehen würde, ich hier unten
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