Radioactive -Die Verstossenen
Verstand.
„Na , das Klingeln…“ Ich lausche , und schon ertönt das Glockengeräusch. „Da ist es doch wieder!“
Finn verdreht genervt die Augen. „Das sind Vögel, du hohle Nuss!“
Neugierig drehe ich mich um und starre aus dem Fenster. Lebende Tiere! Unglaublich! Doch außer den Baumkronen und dem strahlendblauen Himmel ist nichts zu sehen.
Doch meine Begeisterung hält nicht lange an. Warum muss er mich eigentlich schon wieder beleidigen? Ich weiß weder , was ein Hotel, noch was eine Nuss ist, aber ich bin mir sicher, dass seine Worte nichts Freundliches zu bedeuten haben. Langsam bin ich seinen Unmut mir gegenüber leid. Ich habe ihm nichts getan!
„Was machst du hier überhaupt?“
Wie so oft verengen sich seine Augen zu Schlitzen , wobei er mich fixiert.
„Du brauchst nicht zu glauben, dass sich irgendetwas für dich ändert, nur weil die anderen so blöd waren , dich aus der Zelle zu lassen. Ich weiß genau, dass du uns bei der nächstbesten Gelegenheiten an die Legion verraten würdest , und deshalb werde ich dich nicht mal eine Sekunde aus den Augen lassen.“
Ich schlucke. Die Vorstellung , Finn rund um die Uhr in meiner Nähe zu haben , ist beängstigend. Er hasst mich so sehr, dass es mir manchmal fast die Luft zum Atmen raubt. Trotzdem hat er Recht: Wenn ich eine Chance hätte, würde ich jederzeit wieder versuchen zu fliehen. Auch wenn die anderen noch so nett sind, ist und bleibt dieser Ort nichts weiter als ein Gefängnis für mich. Ich gehöre hier genauso wenig her wie Finn in die Sicherheitszone. Nichtsdestotrotz erheitert mich der Gedanke , ihn mir genau dort vorzustellen. Dann würde er mal sehen, wie es ist, wenn einem alles fremd ist und man von nichts eine Ahnung hat. Dort wäre er genauso aufgeschmissen wie ich hier. Wahrscheinlich würde er nicht mal einen Tag brauchen, um in der Krankenstation zu landen.
Mein winziges Grinsen erweckt sofort sein Misstrauen, denn er gönnt mir nicht mal die kleinste Freude. „Warum grinst du?“
„Geht dich nichts an!“, entgegne ich ihm frech und trete an ihm vorbei durch den rosa Vorhang. Sofort schließt sich seine Hand grob um meinen Oberarm. Daran schleift er mich durch den Gang zu dem großen Gemeinschaftsraum. Der Duft von süßem Essen steigt mir in die Nase und ich erblicke Iris, Florance und Paul sowie eine rothaarige Frau samt Kleinkind.
Florance und Paul stehen ungewöhnlich eng beieinander. Seine Hände liegen auf ihren Hüften und sie wirken dabei sehr vertraut, während sie ihn mit einem braunen Teig füttert. Als Paul mich bemerkt, nickt er in meine Richtung und Florances Blick verfinstert sich , als sie Finns Hand auf meinem Arm bemerkt.
„Hast du kein bisschen Feingefühl?“, faucht sie uns entgegen und im ersten Moment glaube ich, dass sie mit mir spricht. Doch dann löst Finn die Hand von meinem Arm, der von Schrammen und blauen Flecken übersät ist.
„Sie ist eine Gefahr!“, verteidigt sich Finn sofort bockig, doch Florance interessiert sich nicht im Geringsten dafür. Sie kommt sofort zu mir geeilt und zieht mich behutsam neben sich, weg von Finn.
„Ihr Körper ist grün und blau und du hast nichts Besseres zu tun , als sie aus dem Bett zu schleifen!“
„Ich hab sie nicht geweckt…“, fügt er etwas leiser hinzu. „Wobei sie lange genug geschlafen hat.“
„Sie war eine Woche in einer Zelle eingesperrt und wird vor Angst kein Auge zugemacht haben, da ist ein halber Tag und eine Nacht bei Weitem nicht genug!“, empört sich Florance und ich bin erstaunt , wie laut so eine kleine Frau wie sie schimpfen kann.
Finn duckt sich richtig bei ihren Worten und starrt verlegen auf seine Schuhspitzen. „Ich dachte , sie könne sich mal ein bisschen nützlich machen.“
„Nix da, zuerst isst sie etwas.“
Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten, führt sie mich an den großen runden Tisch in der Mitte des Zimmers und setzt mich auf einen Stuhl neben Iris, die über das ganze Gesicht grinst, während sie sich mit einer Gabel ein Stück von dem braunen Teig in den Mund schiebt.
„Florance sollte man besser nicht widersprechen.“, sagt sie mit vollem Mund.
Auf dem Tisch vor mir wird in dem Moment ein Teller mit demselben, köstlich duftenden, Teig abgestellt und eine Gabel von der rothaarigen Frau gereicht.
„Hier , das ist ein Pfannkuchen. Probier mal , ob du ihn magst. Ich bin übrigens Grace und das ist meine Tochter Emily.“ Sie deutet auf das Mädchen in Iris Alter mit dem gleichen roten
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