Radioactive -Die Verstossenen
Finn ist nicht da. Wo ist er nur? Hat Iris etwa ihn gefragt? Das kann ich mir nur schwer vorstellen.
Ich folge dem Gang und sehe, dass alle anderen Zimmer verlassen sind. Aber nicht nur ihre Bewohner sind verschwunden, sondern auch alle Möbel und Stoffe. So als hätte hier nie jemand gelebt. Zudem ist es totenstill. Nicht ein Flüstern, Kichern oder Schnarchen. Nichts.
Auch der Gemeinschaftsraum liegt einsam dar. Meine Schritte hallen von den Wänden wieder. Verunsichert blicke ich hinter mich und sehe, dass ich blutige Fußspuren hinterlasse. Schnell prüfe ich meine Fußsohlen, doch dort ist nichts. Kein Blut, keine Wunde. Gehören die Abdrücke vielleicht gar nicht mir? Was ist hier nur los?
Langsam bekomme ich es wirklich mit der Angst zu tun, sodass meine Schritte sich beschleunigen, als ich aus den Höhlen trete. Erleichterung durchflutet mich. Die Legion ist hier. Ein Legionsführer in Weiß mit mehreren Kämpfern in strahlendem Blau. Endlich! Sie haben mich gefunden und sie sind gekommen, um mich zu retten.
Glücklich laufe ich ihnen entgegen und rufe „Hier bin ich!“, da drehen sie sich zu mir um und ich erkenne den Gefangenen in ihrer Mitte. Es ist Finn. Sein Gesicht ist übersät mit Schrammen, Dreck und Blut. Seine Kleidung zerfetzt. Von ihm stammen die blutigen Fußspuren. Hat er sich gegen sie gewehrt? Warum haben sie ihm so wehgetan?
Bestürzt blicke ich zu dem Legionsführer. Es ist Gustav, A175. Verwirrt schaue ich in die Gesichter der Kämpfer. Da sind Grace, Jep und Pep, Paul und Florance. Sogar Emily und Iris tragen einen kleinen blauen Anzug.
Zwischen Jep und Pep hängt Finn. Er ist so geschwächt, dass er sich kaum auf den Beinen halten kann.
„Jetzt hat er keine große Klappe mehr.“, grinst Jep.
„Jetzt ist er nicht mehr der Beste.“, stimmt Pep seinem Zwilling zu. Was ist denn nur los mit ihnen? Sehen sie denn gar nicht , wie schlecht es Finn geht?
Florance tritt auf mich zu. „Liebes, du musst jetzt beweisen, dass du zu uns gehörst.“, flötet sie und hält mir ein Messer entgegen, dessen Klinge im Schein meiner glühenden Haut funkelt.
Meine Finger schließen sich um den Griff, während sie Finn direkt vor mich zerren.
„Er gehört hier nicht her. Beseitige ihn!“, fordert mich Gustav auf. Obwohl seine Stimme genauso freundlich wie immer klingt, schrecke ich bei seinen Worten zurück. Das kann er doch unmöglich ernst meinen.
Flehend blickt mir Finn entgegen, seine Lippen formen stumm die Worte „Hilf mir!“
Was soll ich nur tun?
„Sie ist eine Verräterin!“, wirft Emily mir piepsend vor und deutet mit dem Zeigefinger auf mich.
„Willst du nicht mehr meine Schwester sein?“ Iris’ Lippen zittern, während Tränen in ihre Augen treten.
„Du musst dich entscheiden. Gehörst du zu ihm oder zu uns?“, drängt mich nun auch noch Paul. Sogar er, wo er doch sonst Finn immer verteidigt hat.
„Entscheide dich!“, faucht Florance mir wütend entgegen und jagt mir damit Angst ein. Jetzt verstehe ich , warum Jep und Pep sie ‚Giftspritze’ nennen. Verdammt, was soll ich nur tun? Finn war nie nett zu mir, im Grunde hat er jede Gelegenheit genutzt, um mir zu schaden, aber ich will ihn nicht verletzen. Er leidet doch schon genug.
Ein schrecklicher Schrei durchdringt die Nacht. Mein Blick jagt zu Finn. Eine große blutende Wunde klafft in seinem Bauch, während seine Augen vor Entsetzen geweitet sind. „Warum?“, flüstert er mir anklagend entgegen. ‚Aber ich habe doch gar nichts gemacht‘, will ich rufen, doch beim Anblick meiner Hände verstumme ich. Sie sind blutgetränkt. Grell hebt sich das Rot von meiner weißen Haut ab . Was habe ich nur getan? Das wollte ich nicht!
Geschockt schnappe ich nach Luft und wecke damit Iris neben mir. Oh nein , Finn! Ich muss sofort nach ihm sehen. Vielleicht kann ich ihm helfen. Schnell strample ich die Decke von meinen Beinen und stürze in den Flur, dabei stolpere ich über ein Hindernis und fliege der Länge nach zu Boden. Hart schlagen meine Knie auf den Boden und meine Zähne pressen aufeinander, wobei ich mir schmerzhaft auf die Zunge beiße. Der metallische Geschmack von Blut erfüllt meinen Mund. Als ich mich umdrehe, sehe ich Finn vor unserem Zimmer sitzen. Verschlafen reibt er sich den Kopf und starrt mich irritiert an. Er ist gesund. Er hat keine Wunden. Ich habe ihm nichts getan.
Darüber bin ich so glücklich, dass ich auf ihn zustürze, um mich im Nahen noch einmal davon überzeugen. Ehe er sich dagegen
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