Rächende Geister
keinem von euch. Dumme Narren, das seid ihr alle…«
Sie wandte sich ab und ging mit lang ausgreifenden Schritten dem Hause zu.
Renisenb folgte ihr langsam. Sonderbarerweise hatte Nofrets Antwort sie nicht erzürnt; sie hatte in einen Abgrund des Hasses und des Elends geblickt, und Renisenb war nur verwirrt und versuchte nachzuempfinden, wie entsetzlich es sein musste, solche Gefühle zu hegen.
Als Nofret durch das Tor ging und den Hof überquerte, kam eins von Kaits Kindern hinter einem Ball her gesprungen.
Mit einem wütenden Stoß schob Nofret die Kleine beiseite, so dass sie hinfiel. Das Kind begann zu weinen; Renisenb eilte zu ihm, hob es auf und sagte unwillig: »Das hättest du nicht tun sollen, Nofret! Sie hat sich am Kinn verletzt, schau nur.«
Nofret lachte schneidend.
»Ich soll also Acht geben, dass diese verwöhnten Bälger sich nicht verletzen? Warum? Nehmen ihre Mütter Rücksicht auf meine Gefühle?«
Kait war aus dem Hause gelaufen, als sie das kleine Mädchen weinen hörte. Sie lief zu ihm und untersuchte die Wunde. Dann wandte sie sich an Nofret:
»Teufelin und Schlange! Böses Weib! Warte, was wir dir antun werden!«
Sie hob den Arm und schlug Nofret mit aller Kraft ins Gesicht.
Renisenb stieß einen Schrei aus und packte Kait am Arm, ehe sie zum zweiten Mal zuschlagen konnte.
»Kait, Kait, das darfst du nicht tun!«
»Wer sagt das? Lass Nofret für sich selber sorgen. Sie ist hier nur eine unter vielen.«
Nofret stand ganz still. Deutlich zeichnete sich der Schlag auf ihrer Wange ab. Das Armband, das Kait trug, hatte die Haut neben dem einen Auge aufgerissen, und Blut rann hernieder.
Aber es war Nofrets Reaktion, die Renisenb erschreckte. Nofret zeigte keinen Zorn. Stattdessen hatte sie einen rätselhaften, frohlockenden Ausdruck in den Augen, und wieder verzogen sich ihre Mundwinkel zu einem befriedigten Lächeln.
»Danke, Kait«, sagte sie.
Dann ging sie ins Haus.
Nofret rief, die Lider gesenkt, gedämpft nach Henet.
Henet kam herbeigeeilt, blieb stehen und fing an zu lamentieren.
Nofret unterbrach sie schroff:
»Hol mir Kameni. Sag ihm, er soll seine Schreibsachen und Papyrus mitbringen, um einen Brief an den Herrn zu schreiben.«
Henets Augen hefteten sich auf Nofrets Wange.
»An den Herrn… ich verstehe… Wer hat es getan?«
»Kait.« Nofret lächelte ruhig vor sich hin.
Henet schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge.
»Das ist schlimm, sehr schlimm. Der Herr muss es erfahren, ja, gewiss.«
Nofret sagte sanft: »Du und ich, Henet, wir denken gleich.«
Sie löste einen in Gold gefassten Amethyst von ihrem Gewand und drückte ihn der Frau in die Hand. »Wir beide, Henet, das weiß ich, sind ehrlich auf Imhoteps Wohlergehen bedacht.«
»Das ist zu viel für meine geringen Dienste.«
»Imhotep und ich wissen Treue zu schätzen.« Nofret lächelte immer noch; ihre Augen waren schmal und katzenhaft. »Hol Kameni«, befahl sie abermals, »und komm mit ihm her. Ihr beide sollt bezeugen, was geschehen ist.«
Kameni kam etwas widerwillig; seine Stirn war gerunzelt.
Nofret sprach gebieterisch: »Du erinnerst dich an Imhoteps Anweisungen?«
»Gewiss«, antwortete Kameni.
»Es ist so weit. Setz dich und schreib, was ich dir sage.« Als Kameni zauderte, fuhr sie ungeduldig fort: »Du wirst schreiben, was du mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört hast, und Henet wird bestätigen, was ich sage. Die Nachricht muss im Geheimen und mit aller Eile übersandt werden.«
»Es gefällt mir nicht…«, begann Kameni.
Nofret fuhr ihn an: »Ich habe keine Beschwerde gegen Renisenb. Sie ist weich und dumm, aber sie hat mir nichts getan. Bist du nun zufrieden?«
Kamenis bronzefarbenes Gesicht wurde von Röte übergossen.
»Daran dachte ich nicht…«
»Ich nahm es an«, entgegnete Nofret sanft. »Fang an, folge dem erhaltenen Befehl – schreib.«
»Ja, schreib«, mischte Henet sich ein. »Imhotep muss Bescheid wissen. Mag etwas auch sehr unangenehm sein, man hat der Pflicht zu gehorchen. So habe ich es immer gehalten.«
Nofret lachte leise.
»Davon bin ich überzeugt, Henet. Du tust deine Pflicht! Und Kameni wird tun, was seines Amtes ist. Und ich… ich tue, was mir Vergnügen macht.«
Aber immer noch zögerte Kameni. Seine Miene war düster.
»Nofret, du würdest dir besser noch Zeit lassen und überlegen.«
»Nimm dich in Acht, Kameni«, gab Nofret sanft zurück. »Ich habe großen Einfluss auf Imhotep. Er hört auf mich. Bis jetzt war
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