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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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forschender Blick bereitete ihr Unbehagen.
    »Liebst du Gesang nicht, Renisenb?«
    »Kümmert es dich, Nofret, was ich liebe und was nicht?«
    »Kleine Katzen haben also Krallen.«
    »Wie meinst du das?«
    Nofret lachte.
    »Du bist nicht so dumm, wie du tust, Renisenb. Dir gefällt Kameni wohl? Oh, das wird ihn zweifellos freuen.«
    »Ich finde dich ganz abscheulich«, stieß Renisenb hervor.
    Sie lief an Nofret vorbei, die spöttisch hinter ihr her lachte. Aber dieses Lachen wurde in der Erinnerung überdeckt von Kamenis Stimme, die sang, während seine Augen auf ihrem Antlitz ruhten…

7
    Erster Monat des Winters – 5. Tag
     
    A ls Renisenb am folgenden Morgen erwachte, fühlte sie sich von bösen Vorahnungen bedrückt. Sie stand früh auf und verließ das Haus. Ihre Schritte führten sie, wie so oft, zum Nil. Einige Fischer befanden sich schon draußen, und ein großes Boot bewegte sich mit kräftigen Ruderschlägen Richtung Theben.
    Renisenb empfand eine unbestimmte Sehnsucht. Wonach sehne ich mich? dachte sie. Nach Khay? Aber Khay ist tot, er wird nie mehr zurückkehren. Ich will nicht mehr an Khay denken. Das alles ist vorbei.
    Da bemerkte sie am Ufer eine Gestalt, die ebenfalls dem Boot, das gen Theben fuhr, nachblickte, und die Regungslosigkeit dieser Gestalt rührte Renisenb, rührte sie zutiefst, obwohl sie dann Nofret erkannte.
    Nofret starrte auf den Nil hinaus. Nofret war allein. Woran mochte sie denken?
    Mit einem kleinen Schrecken wurde Renisenb mit einem Mal klar, wie wenig sie alle eigentlich von Nofret wussten. Sie hatten sie als Fremde, als Feindin empfangen und keine Neugier empfunden, etwas aus ihrem Leben oder von der Umgebung, der sie entstammte, zu erfahren.
    Es muss traurig sein für Nofret, dachte Renisenb plötzlich, so allein, ohne Freunde, unter lauter Menschen, die sie nicht liebten.
    Langsam ging Renisenb weiter, bis sie neben ihr stand. Nofret wandte sekundenlang den Kopf, dann schaute sie wieder aufs Wasser hinaus. Ihr Gesicht war ausdruckslos.
    Renisenb sagte schüchtern: »Es sind viele Boote auf dem Fluss.«
    »Ja.«
    Von dem unbestimmten Gefühl bewegt, Freundlichkeit zu zeigen, fuhr Renisenb fort:
    »Ist es hier wie in deiner Heimat?«
    Nofret lachte kurz und bitter auf.
    »Nein, wirklich nicht. Mein Vater ist Kaufmann in Memphis. Dort geht es fröhlich und unterhaltsam zu. In Memphis gibt es Musik und Tanz und Gesang. Und mein Vater reist ziemlich viel. Ich war mit ihm in Syrien. Ich war mit ihm auf großen Schiffen auf den weiten Meeren.«
    Sie sprach voller Stolz und schien aufzuleben.
    »Dann muss es hier sehr langweilig sein für dich«, meinte Renisenb zögernd.
    Nofret stieß ein ungeduldiges Lachen aus.
    »Hier ist es öde – nichts als Pflügen und Säen und Ernten, Reden über den Stand des Getreides und über Flachspreise.« Renisenb spürte, welcher Zorn und welche Verzweiflung die Frau neben ihr erfüllten. Sie dachte: Sie ist so alt wie ich, noch jünger. Und sie ist das Weib eines braven, umständlichen, ein wenig lächerlichen alten Mannes… Was wusste sie überhaupt von Nofret? Was hatte Hori gestern auf ihren Ausbruch, Nofret sei grausam und schlecht, geantwortet? »Was für ein Kind du noch bist.« Das hatte er gesagt. Renisenb begriff jetzt, was er gemeint hatte. Ihre Worte waren oberflächlich gewesen – man konnte einen Menschen nicht so einfach abtun. Welche Kümmernisse, welche Bitterkeit, welche Verzweiflung lagen hinter Nofrets grausamem Lächeln? Was hatte Renisenb, was hatte einer von ihnen getan, damit Nofret sich heimisch fühlte?
    Renisenb sagte weich: »Du hasst uns alle. Ich verstehe dich. Wir waren unfreundlich zu dir, aber es ist noch nicht zu spät. Können wir nicht, du und ich, Nofret, wie Schwestern miteinander sein? Du bist fern von deiner Heimat, du bist allein – kann ich dir helfen?«
    Ihre Worte verloren sich in der Stille. Nofret drehte sich langsam zu ihr um.
    Eine Weile blieb ihr Gesicht ausdruckslos. Sekundenlang glaubte Renisenb sogar einen weicheren Schimmer in ihren Augen wahrzunehmen. Es war, als ob Nofret zögerte – als ob Renisenbs Worte etwas in ihr gerührt hätten.
    Es war ein seltsamer Moment, an den Renisenb sich später erinnern sollte.
    Dann veränderte sich Nofrets Ausdruck allmählich. Er wurde bösartig, und in ihren Augen glomm es auf. Vor dem wütenden Hass ihres Blickes wich Renisenb unwillkürlich einen Schritt zurück.
    Nofret sagte mit leiser, heftiger Stimme: »Geh! Ich will nichts von euch, von

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