Rächende Geister
aufzustehen, aber meine Beine wollten mich nicht tragen. Mit jedem Tag fühle ich mich matter, das ist das Schlimmste.«
Ipy schüttelte mitleidig den Kopf.
»Wirklich traurig. Und die Ärzte können nicht helfen?«
»Mersus Gehilfe kommt täglich. Er versteht meinen Zustand nicht. Ich trinke starke Kräuterabsude. Jeden Tag werden die Götter angerufen. Es besteht kein Grund, dass ich nicht bald gesund werde. Doch stattdessen schwinden meine Kräfte immer mehr.«
»Schlimm, schlimm«, sagte Ipy.
Er ging weiter, leise vor sich hin summend, bis er seinen Vater und Hori traf, die mit Abrechnungen beschäftigt waren.
Imhoteps sorgendurchfurchtes Gesicht erhellte sich beim Anblick seines Lieblingssohnes.
»Da kommt ja mein Ipy. Was hast du mir von draußen zu melden?«
»Alles läuft gut, Vater. Die Gerste ist bald reif. Wir werden eine erfreuliche Ernte haben.«
»Ja, den Göttern sei Dank, draußen steht alles zum besten. Wollte es doch auch drinnen gut gehen. Ich muss weiterhin auf Ashayet bauen, sie wird uns ihre Hilfe nicht versagen. Ich sorge mich um Yahmose. Ich begreife seine Schwäche nicht.«
Ipy lächelte verächtlich.
»Yahmose war immer ein Schwächling«, sagte er.
»Das stimmt nicht«, entgegnete Hori milde. »Seine Gesundheit war stets gut.«
»Die Gesundheit des Menschen hängt vom Geist ab«, erklärte Ipy strahlend. »Yahmose scheute sich sogar, Befehle zu erteilen.«
»In letzter Zeit hat Yahmose bewiesen, dass er ein überlegener Geist ist«, wandte Imhotep ein. »Es hat mich selber überrascht. Aber diese körperliche Schwäche macht mir Sorgen. Mersu versicherte mir, dass die Heilung schnell vonstatten gehen würde, wenn die Wirkung des Giftes erst einmal überwunden wäre.«
Hori legte einige Papyrusrollen beiseite.
»Es gibt noch andere Gifte«, sagte er ruhig.
Imhotep fuhr herum.
»Wie meinst du das?«
Hori sprach mit sanfter, nachdenklicher Stimme.
»Es gibt Gifte, die nicht sofort, nicht heftig wirken. Sie sind heimtückisch. Wer jeden Tag ein wenig davon einnimmt, bei dem sammeln sie sich im Körper an. Erst nach langen Monaten der Schwäche kommt der Tod. Frauen wissen über solche Gifte Bescheid – sie benutzen sie manchmal, um sich ihres Gatten zu entledigen und den Anschein eines natürlichen Todes zu erwecken.«
Imhotep war erblasst.
»Willst du damit sagen, dass… dass es sich so mit Yahmose verhält?«
»Ich will damit nur sagen, dass es möglich wäre. Wenn seine Speisen auch immer von einem Sklaven gekostet werden, so bedeutet diese Vorsichtsmaßnahme doch gar nichts, da diese geringen Mengen bei einem kräftigen Menschen unter Umständen ohne Wirkung bleiben könnten.«
»Unsinn!«, rief Ipy laut. »Reiner Unsinn! Ich glaube nicht, dass es solche Gifte gibt. Ich habe nie davon gehört.«
Hori hob den Blick.
»Du bist noch jung, Ipy. Es gibt viele Dinge, von denen du vorläufig noch nichts weißt.«
»Aber was können wir tun?«, schrie Imhotep auf. »Wir haben Ashayet angerufen. Wir haben im Tempel Opfer gebracht. Was sollen wir mehr tun?«
Hori antwortete nachdenklich: »Lass Yahmoses Speisen von einem vertrauenswürdigen Sklaven zubereiten und sorge dafür, dass dieser Sklave dauernd bewacht wird.«
»Aber das bedeutet, dass hier in diesem Hause…«
»Unsinn!«, rief Ipy abermals. »Reiner Unsinn!«
Hori zog die Brauen in die Höhe.
»Versuchen wir es auf jeden Fall. Dann werden wir sehen, ob es Unsinn ist.«
Ipy ging ärgerlich hinaus.
Hori blickte ihm stirnrunzelnd nach.
Ipy verließ das Haus in solcher Wut, dass er beinahe mit Henet zusammengeprallt wäre.
»Geh mir aus dem Weg, Henet! Du schleichst immerzu herum und kommst einem in die Quere.«
»Wie roh du bist, Ipy. Du hast meinen Arm gequetscht.«
»Umso besser. Ich kann dein Geschnüffel nicht mehr ertragen. Je eher du dieses Haus verlässt, desto besser – und ich werde dafür sorgen.«
In Henets Augen blitzte es böse auf.
»Du willst mich also hinauswerfen, wie? Nach allem, was ich für euch getan habe! Dein Vater weiß, wie treu ergeben ich der ganzen Familie bin.«
»Er hat davon sicher genug gehört! Und wir andern ebenfalls! Meiner Meinung nach bist du eine Giftzunge, die Unheil anrichtet. Du hast Nofret bei ihren Plänen geholfen, das ist mir wohl bekannt. Nach ihrem Tode hast du uns wieder umschmeichelt. Aber du wirst sehen, zum Schluss hört mein Vater auf mich und nicht auf deine Lügenmärchen.«
»Was hat dich so aufgebracht, Ipy?«
»Das geht dich nichts
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