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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Menschen lassen sich nur an seinem Benehmen erkennen. Wenn ein Mensch sich sonderbar und außergewöhnlich benimmt…«
    »Dann verdächtigst du ihn?«, fragte Renisenb.
    »Nein, das meine ich nicht. Wer bewusst böse Absichten hat, der muss darauf bedacht sein, sie um jeden Preis zu verbergen. Darum wagt er es nicht, sich irgendwie auffällig zu betragen.«
    »Ich verstehe«, sagte Esa und warf ihm einen scharfen Blick zu. »Wie steht es mit uns dreien? Wieso sind wir verdächtig?«
    »Auch dies müssen wir bedenken«, gab Hori zurück. »Mir hat man großes Vertrauen entgegengebracht. In meinen Händen ruhten die Vertragsabschlüsse und die Verfügung über die Ernte. Als Schreiber habe ich mit allen Abrechnungen zu tun gehabt. Es könnte sein, dass ich sie gefälscht habe – Kameni hat im Norden eine solche Fälschung aufgedeckt. Yahmose hätte einen Verdacht fassen können. Dann wäre es notwendig gewesen, ihn zum Schweigen zu bringen.« Er lächelte schwach über seine eigenen Worte.
    »O Hori, wie kannst du nur so etwas sagen!«, rief Renisenb. »Wer dich kennt, würde das niemals glauben.«
    »Niemand kennt einen anderen Menschen wirklich, Renisenb. Muss ich dich immer wieder darauf aufmerksam machen?«
    »Und inwiefern bin ich verdächtig?«, fragte Esa. »Nun, ich bin alt. Ein alter Kopf wird manchmal krank, so dass das Herz zu hassen beginnt, wo es zu lieben pflegte. Ich hätte meiner Enkel überdrüssig werden können. Alte Leute sind oft unberechenbar.«
    »Und ich?«, fragte Renisenb. »Warum hätte ich meine Brüder, die ich liebe, töten sollen?«
    »Wenn Yahmose, Sobek und Ipy nicht mehr am Leben sind«, antwortete Hori, »dann bist du Imhoteps einziges Kind. Er würde dir dann einen Gatten suchen, und alles hier wäre euer Eigentum. Ihr wäret die Hüter der Enkel Imhoteps.« Er lächelte. »Aber wir, die wir unter der Sykomore sitzen, wir verdächtigen dich nicht, Renisenb.«
    »Wir, die wir unter der Sykomore sitzen, wir lieben dich«, sagte Esa.

17
    Zweiter Monat des Sommers – 1. Tag
     
    » D u warst also draußen«, sagte Henet, die herbeieilte, als Esa in ihr Zimmer humpelte. »Seit fast einem Jahr hast du das nicht mehr getan!« Forschend betrachtete sie die Greisin.
    »Alte Leute haben Launen«, gab Esa zur Antwort.
    »Ich sah dich mit Hori und Renisenb am See sitzen.«
    »Gibt es etwas, das du nicht siehst, Henet?«
    »Ich weiß wirklich nicht, was du meinst, Esa. Alle Welt konnte euch dort sitzen sehen.«
    »Aber niemand konnte uns hören!«
    »Warum bist du nur so unfreundlich zu mir, Esa? Ich habe viel zu viel zu tun, um die Gespräche anderer zu belauschen. Wenn Imhotep nicht wäre, der mich schätzt…«
    Esa fiel scharf ein: »Ja, wenn Imhotep nicht wäre! Von Imhotep bist du abhängig, nicht wahr? Wenn ihm etwas zustoßen würde…«
    Diesmal schnitt Henet ihr die Rede ab. »Imhotep wird nichts zustoßen!«
    »Woher weißt du das, Henet? In diesem Hause gibt es keine Sicherheit.«
    »Ja, das stimmt. Sobek ist gestorben, und Yahmose ist beinahe gestorben…«
    Esa lehnte sich vor.
    »Henet, warum hast du bei deinen Worten soeben gelächelt?«
    »Ich habe gelächelt?«, rief Henet bestürzt. »Du träumst, Esa! Wie könnte ich lächeln, wenn ich von etwas so Entsetzlichem spreche?«
    »Es ist wahr, meine Augen sind sehr schlecht«, sagte Esa. »Aber ich bin noch nicht blind. Und wenn man meint, man hat es mit einem Menschen zu tun, der nicht mehr viel sieht, so nimmt man sich oft nicht in Acht. Deshalb frage ich dich noch einmal: Warum hast du mit stiller Befriedigung gelächelt?«
    »Was du da sagst, ist ungeheuerlich!«
    »Jetzt fürchtest du dich.«
    »Wer würde sich in diesem Hause nicht fürchten?«, rief Henet schrill. »Wir haben alle Angst, denn böse Geister kehren zu uns zurück, um uns zu quälen! Aber ich weiß, was los ist – du hast auf Hori gehört. Was hat er über mich gesagt?«
    »Was weiß denn Hori von dir, Henet?«
    »Nichts, gar nichts. Du solltest mich lieber fragen, was ich von ihm weiß.«
    Esas Gesicht wurde hart.
    »Nun, und was weißt du von ihm?«
    Henet warf den Kopf zurück.
    »Ach, ihr verachtet alle die arme Henet! Ihr findet sie hässlich und dumm. Aber ich weiß vieles – wahrhaftig, nur wenig geht in diesem Haus vor sich, das ich nicht weiß. Vielleicht sehe ich mehr als so gescheite Leute wie Hori. Wenn Hori mir begegnet, dann hat er eine Art, über mich hinwegzublicken, als ob ich überhaupt nicht vorhanden sei. Er sollte lieber mich ansehen!

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