Raecher des Herzens
kam soeben der Gedanke, dass wir einige gemeinsame Interessen haben, über die wir unbedingt reden sollten.«
»Wie zum Beispiel?«
»Einfluss, um es auf einen Nenner zu bringen. Ich spreche von der Achtung, die die französisch-kreolische Aristokratie Ihnen und den anderen M aitres d’Armes zollt, von den Möglichkeiten, die Männer wie Sie haben, ihre politische Einstellung anderen näher zu bringen.«
»Berichtigen Sie mich, wenn ich mich täusche«, sagte Rio. »Aber Gerüchten zufolge unterstützt Graf de Lerida Sie doch bereits in dieser Angelegenheit.«
»Wir haben darüber gesprochen, das gebe ich gern zu.« Der Gesandte zuckte die Achseln. »Aber der Einfluss des Grafen steht in keinem Verhältnis zu dem Preis, den wir dafür bezahlen müssten.«
»Er verlangt zu viel für seine Dienste?«
»Seine Habgier wird nur noch von seiner Arroganz übertroffen.«
»Sie konnten sich also nicht einigen.«
»Kurz gesagt: nein. Als ich ihm sagte, dass sich Mexiko nicht verschulden würde, um sich seine Gunst zu erkaufen, deutete er an, er könne sein Wissen um unsere Ziele an diejenigen verhökern, die den größten Nutzen daraus ziehen würden.«
»Das ist tatsächlich ein Zeichen großer Arroganz.«
»Eine solche Drohung verrät den wahren Charakter eines Mannes. Wenn Mexiko seine Ziele tatsächlich nur mit der Hilfe dieses aristokratischen Abschaums erreichen kann, ist es mir fast lieber, es erreicht sie gar nicht.«
»Der Graf muss sich in einer verzweifelten Lage befinden. Würde er sonst versuchen, Sie und Ihr Land zu
erpressen?«
Die Augen des Gesandten wurden hart wie Glas. »Ich wusste um seinen finanziellen Engpass. Deshalb habe ich ihn ja vor einigen Wochen aufgesucht. Anfangs schien er recht vernünftig zu sein. Aber das hat sich inzwischen geändert. Meinetwegen könnte er in der Gosse enden. Ich würde keinen Finger für ihn rühren.«
Der Graf hatte sich offenbar einen neuen Feind gemacht. Rio fragte sich, ob er das wusste. Wenn sich der spanische Edelmann nun nicht mehr an den Mexikanern bereichern konnte, war seine finanzielle Lage inzwischen womöglich ziemlich prekär. In diesem Fall konnte eine baldige Heirat die einzige Rettung für ihn bedeuten. Ein beunruhigender Gedanke.
»Das klingt alles sehr unerfreulich«, sagte Rio ernst. »Der Graf hat Sie in eine sehr unangenehme Situation gebracht.«
»Deshalb hoffe ich auch auf Ihre Hilfe. Sie könnten die Rolle übernehmen, die ursprünglich ihm zugedacht war. Ich würde sogar sagen, Sie könnten meinem Land dienlicher sein, als er es je war.«
»Ihre Zuversicht ehrt mich«, murmelte Rio ein wenig abwesend. Seine Gedanken kreisten um andere Dinge.
»Glauben Sie mir, ich versuche nicht, Ihnen zu schmeicheln. Meine Regierung würde sich innerhalb eines angemessenen Rahmens als überaus dankbar erweisen. Sicherlich könnten wir zu einer Übereinkunft kommen, die für alle Seiten von Vorteil ist.«
»Ihr Vorschlag hat durchaus seinen Reiz«, sagte Rio. Dabei starrte er angestrengt in seine leere Tasse. »Ich werde ernsthaft darüber nachdenken.«
»Tun Sie das. Ich würde mich freuen, bald von Ihnen zu hören.« Der Gesandte machte eine ausholende Geste mit seinem Glas. »Die Vorsehung hat uns heute hier zusammengeführt, dessen bin ich gewiss.«
Rio war sich längst nicht so sicher, aber er behielt seine Zweifel für sich.
»Und?«, sagte Caid. Er hatte Rio wie verabredet im Studio aufgesucht und sich angehört, was der Mexikaner vorgeschlagen hatte. »Du wirst dich doch nicht von dem Kerl kaufen lassen?«
»Warum sollte ich nicht die Stelle des Grafen einnehmen, wenn ich damit verhindern kann, dass er von den Mexikanern profitiert?«
»Vielleicht aus Loyalität einem Land gegenüber, das zu deiner Heimat werden könnte? Oder aus Abscheu gegenüber hinterhältigen Intrigen? Oder weil du weißt, dass es nicht klug ist, politische und berufliche Interessen zu vermischen? Such dir etwas aus.«
»Verlieren könnte hier vor allem die Republik Texas. Ich wüsste nicht, warum ich gerade den Texanern Loyalität schulden sollte.«
»Wenn Texas an die Mexikaner geht, schadet das den Vereinigten Staaten, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Von denen gibt es dann nämlich gleich bedeutend weniger.«
»Dann sollten sich die Führer des Landes, das so viel zu verlieren hat, vielleicht einmal in der Kunst des Kompromisses üben.«
»Mag sein. Aber ich fühle mich vor allem mit New Orleans verbunden, und dir dürfte es kaum anders
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