Raecher des Herzens
noch?«
»Ich wollte dich fragen, ob ich mitkommen darf, wenn du mit den Gendarmen sprichst. Ich halte es einfach nicht mehr aus, nur untätig hier herumzusitzen.«
»Das darfst du auf keinen Fall. Eine Frau hat dort nichts zu suchen. Außerdem weiß ich nicht, welchen Zweck deine Anwesenheit haben könnte.«
»Ich könnte Denys beschreiben, sagen, was er anhatte, wo er sich gern aufhält und wer seine Freunde sind. Oh, es gibt hundert Dinge, die dir in den letzten Wochen vielleicht entgangen sind.«
»Unsinn. Die Gendarmen kennen Denys gut, dessen darfst du dir sicher sein.«
»Dann erlaube mir wenigstens, dich bei allem anderen, was du zu unternehmen gedenkst, zu begleiten. Wenn du willst, bleibe ich in der Kutsche sitzen. Aber hier im Haus die Stunden zu zählen bringt mich um den Verstand!«
»Bitte mach kein Drama aus der Sache, Celina. Es ist nun einmal das Los der Frauen zu warten. Du hast mit deinen heimlichen Botschaften schon genug angerichtet.«
Celina sah ihren Vater forschend an. Wusste er von den Briefchen, die Suzette und Olivier für sie von einem Haus zum anderen trugen? Wahrscheinlich nicht, sonst wäre er noch viel zorniger gewesen. Sicher sprach er von ihrer Nachricht an Hippolyte Ducolet. Doch der Schreck über die Worte des Vaters erinnerte Celina an ein weiteres Problem.
»Dann muss ich mich deiner Entscheidung wohl fügen«, sagte sie und senkte dabei den Blick.
»Ja, das wirst du wohl müssen, Celina. Und nun entschuldige mich bitte.«
»Natürlich ... aber eines muss ich noch loswerden. Ich ... Also, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll ...«
Ihr Vater stieß einen langen Seufzer aus. »Ja?«
»Hast du schon jemals einen Sklaven freigegeben, Papa? Könntest du dir das überhaupt vorstellen?«
»Bitte sag jetzt nicht, dass du dich auch noch heimlich einer Vereinigung zur Abschaffung der Sklaverei angeschlossen hast.«
»Nein, nein. Aber ich ... hast du es schon einmal getan?«
»Ob man einen Sklaven freigibt oder nicht, ist eine ökonomische Frage, chere, keine Frage des Gefühls. Sklaven sind eine Investition, eine Ware, die Geld, sehr viel Geld kostet. Wenn sich ein Mann entscheidet, diese Investition in den Wind zu schreiben, hat dies ernste Konsequenzen für seine wirtschaftliche Lage. Außerdem muss der frühere Besitzer für den Sklaven bürgen, denn er darf auf keinen Fall der Allgemeinheit zur Last fallen.«
»War Suzette nicht ein Geschenk von Großvater? Bekam Mutter sie nicht zu meiner Geburt? Sie hat dich,: soweit ich weiß, gar nichts gekostet.«
»Wir sprechen also von Suzette?« Der Vater machte ein nachdenkliches Gesicht.
»Ja. Sie hat sich in einen gewissen Olivier verliebt. Er ist der Angestellte eines Fechtmeisters. Olivier kann oder will keine Sklavin zur Frau nehmen.«
»Und ich soll auf Suzettes Dienste verzichten, damit dieser Mann seinen Prinzipien treu bleiben kann?«
»Sie hat es verdient, Papa. Und ich hätte nichts dagegen. Im Gegenteil, ich würde sie gern glücklich sehen.«
»Das Glück ist eine Illusion.« Monsieur Vallier schüttelte den Kopf. »Höchstwahrscheinlich würde sie sehr bald alles andere als glücklich sein. Wenn sie nämlich jedes Jahr ein Kind bekommt und kaum weiß, wie sie mit dem Wenigen, das ihr Mann verdient, die hungrigen Mäuler stopfen soll, wird sie sich rasch nach dem Leben bei uns zurücksehnen.«
»Dessen bin ich mir nicht so sicher. Aber wenn sie meine Zofe bleibt, wird sie sich nach all den Dingen verzehren, die sie nicht haben kann, die sie nicht tun darf, weil sie uns gehört. Sie liebt diesen Mann von ganzem Herzen. Seine Frau zu werden ist ihr einziger Wunsch.«
Der Vater starrte Celina lange an. Dann nickte er plötzlich. »Wie du wünschst.«
»Oh, Papa! Du lässt sie wirklich gehen?«
»Sie wird dein Hochzeitsgeschenk sein. Ab dem Tag, an dem du dem Grafen das Ja-Wort gibst, gehört sie dir. Dann kannst du ihr die Freiheit schenken. Mich geht das dann nichts mehr an.«
Celina war sprachlos. Sie wollte nicht glauben, dass der Vater ihr so etwas antun konnte. Sicher war es der Einfluss des Grafen, der ihn so verändert hatte.
»Du schweigst, chere? Offenbar ist dir Suzettes Freiheit doch nicht ganz so wichtig, wie es den Anschein hatte.« Der Vater wandte sich ab und ging die Galerie entlang zu seinem Zimmer. Dann schloss sich die Tür hinter ihm.
Celina stand wie erstarrt und sah ihm nach. Schließlich kehrte sie mit hocherhobenem Kopf in den Salon zurück.
»Mein Vater ist kaum
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