Raecher des Herzens
ergehen. Die Stadtbewohner, die Burschen in den Straßen, die jungen Männer aus gutem Hause blicken zu uns auf. Sie wollen von uns lernen, wie sie sich schützen können. Die alten Männer verbeugen sich vor uns, sie bewundern unseren Mut, und die Damen lächeln uns an. Diese Leute haben uns bei sich aufgenommen, und dafür schulden wir ihnen Treue und Dank.«
»Das hört sich an, als wolltest du für immer hier bleiben.«
»Gut möglich.«
»Und was ist mit deiner geliebten grünen Insel, dem sagenumwobenen Irland?«
»Dort gibt es für mich kaum etwas, wofür es sich lohnen würde, noch einmal zurückzukehren«, antwortete Caid. »Dagegen könnte ich mir gut vorstellen, hier in dieser Stadt alt zu werden.«
Rio musterte den Iren aufmerksam. »Man könnte fast auf die Idee kommen, hinter deinen tiefen Gefühlen für New Orleans stecke eine Frau.«
»Ich wünschte, es wäre so. Aber bis jetzt hat sich nichts ergeben. Natürlich gibt es in dem Viertel, das man Irish Channel nennt, viele hübsche Mädchen, und jeden Tag kommen neue an. Aber ich habe noch keine Frau gefunden, die mich ans Heiraten denken lässt.«
»Willst du etwa mir damit Absichten dieser Art unterstellen?«
»Über deine Absichten weiß ich nichts Genaues. Aber ich bin sicher, dass eine gewisse junge Schönheit nur einmal leise »Komm zu mir< flüstern müsste, und du würdest dir in der Eile, in die Rue Royale zu gelangen, fast deinen spanischen Dickkopf einrennen.«
Caids halb im Scherz gesprochene Bemerkung ließ sich zunächst leicht abtun. Doch dann erhielt Rio eine Antwort auf die Nachricht, die er ins Haus der Valliers geschickt hatte. Die ersten Worte, die ihm ins Auge sprangen, waren >Ich muss dich sehen<. Er starrte auf das Stück Papier in seinen Händen. Dabei stieg ihm die Hitze in den Kopf, und das Verlangen wurde so stark, dass es ihn zu überwältigen drohte. Das Vernünftigste, was er unter diesen Umständen tun konnte, war, sich von Celina Vallier fern zu halten.
»Keine schlechten Nachrichten, hoffe ich?«, fragte Caid. Er musterte Rio aufmerksam.
»Der junge Vallier ist noch immer nicht zu Hause. Mehr steht hier nicht. Aber irgendetwas ist geschehen. Sie schreibt, sie müsse mich sehen.«
»Besteht vielleicht die Möglichkeit, dass sie sich nur nach deinen Küssen verzehrt?«
Rio warf seinem Freund einen grimmigen Blick zu.
»Dann nicht. Ich bitte um Vergebung. Gehst du hin?«
Nichts hätte Rio davon abhalten können. »Vielleicht.«
»Und wenn es eine Falle ist?«
»Warum sollte es?«, fragte Rio ungeduldig.
»Aus keinem besonderen Grund. Außer vielleicht, dass du leicht den Ruf und die Zukunft einer jungen Frau ruinieren könntest, die sich Hilfe suchend an dich gewendet hat.«
Rio wurde immer ärgerlicher. »Wenn du irgendein anderer Mann wärest ...«, begann er in eisigem Ton.
»Wenn ich irgendein anderer wäre, würdest du mich herausfordern und mich in Stücke hauen - oder es zumindest versuchen. Aber ich bin dein Freund und sage dir ins Gesicht, dass das, was du tust, falsch ist.«
»Du weißt doch gar nicht, was ich tue! Und du kennst auch die Gründe dafür nicht.«
»Ich weiß, dass der Wunsch nach Rache dich so sehr blendet, dass du bereit bist, dafür alles zu opfern. Ich weiß, dass du deine Prinzipien aufgegeben hast, nur um demjenigen zu schaden, der dir ein Unrecht zugefügt hat. Du hast Denys Vallier in Gefahr gebracht, indem du ihn in deine Angelegenheiten hineingezogen hast. Und nun suchst du nach ihm - nicht um sein Leben zu retten, sondern in der Hoffnung, dadurch deinen eigenen Interessen dienen zu können. Und heute Nacht wirst du zu Celina Vallier gehen und ihr Liebesschwüre ins Ohr flüstern. Dabei ist das Herz in deiner Brust kalt wie Eis.«
Rio starrte den Iren ungläubig an. Dabei ging sein Atem so schwer und so schnell, dass sich seine Nasenflügel weiteten. »Bist du fertig?«
»Vorerst schon.«
»Dann lass mich dir sagen, dass ... Nein. Vergiss es. Wenn du nicht inzwischen besser weißt, wer ich bin und was ich tun muss, dann sind auch die Gründe dafür unwichtig. Im Augenblick will ich nur eines von dir wissen: Hilfst du mir weiterhin bei der Suche nach Vallier? Hältst du zu mir oder nicht?«
»Ach, zum Teufel, Rio! Natürlich helfe ich dir. Ich lasse doch keinen Freund im Stich, nur weil er sturköpfig, starrsinnig und unvernünftig ist.«
Rio starrte Caid lange an. Dann schüttelte er den Kopf und stieß ein befreites Lachen aus. »Gut. Lass uns gehen. Wir dürfen
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