Raecher des Herzens
schließlich in ihr Schlafzimmer zurück. Doch Celina saß noch immer über ihrem Stickrahmen, als die Türglocke erschallte. Es war schon recht spät für einen Besuch. Angestrengt lauschte sie Mortimers Schritten. Er ging am Salon vorbei zur Treppe, um den Besucher einzulassen.
Celinas erster Gedanke galt Denys. Dann überlegte sie, ob Rio vielleicht die Geduld verloren hatte und sich diesmal lieber offiziell anmeldete, statt sich wie sonst ins Haus zu schleichen. So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte nur das undeutliche Murmeln männlicher Stimmen hören. Dann näherten sich erneut Mortimers Schritte. Hinter ihm erklomm jemand schnaufend und japsend die Stufen. Seine Schritte waren schwer und unbeholfen.
Celina sprang auf. Sie wollte durch die Tür fliehen, die zum Schlafzimmer der Tante führte. Von dort aus konnte man auch in das ihre gelangen. Doch es war zu spät. Mortimer klopfte bereits an. Dann drehte er den Türknauf, trat in den Salon und ließ den Grafen ein.
»Monsieur le Comte, Mademoiselle.«
Sie würde den Mann weder willkommen heißen noch ihm die Hand reichen. Celina heftete den Blick auf einen Punkt über der Schulter des Besuchers und sagte: »Bitte holen Sie meinen Vater, Mortimer. Sicher möchte der Graf mit ihm sprechen.«
Der Butler verbeugte sich und ging davon. De Lerida verfolgte ihn mit einem hochmütigen Blick, denn Mortimer hatte die Tür entgegen aller Gewohnheit offen stehen lassen. Dann machte der Graf einen Schritt auf Celina zu. »Gut pariert, Mademoiselle. Ich hatte nicht gehofft, Sie zu Hause anzutreffen. Ich wähnte sie tanzend auf einem Ball.«
»Mir war heute nicht danach. Vielleicht hat mein Vater Ihnen erzählt, dass mein Bruder schon seit einiger Zeit nicht nach Hause gekommen ist.«
»Ja, das ist beunruhigend. Es wundert mich nicht, dass Sie sich Sorgen machen. An jenem Morgen wollte er mir seine Aufwartung machen. Aber ich konnte ihn nicht empfangen.«
»Sie haben ihn nicht zufällig irgendwo gesehen?«
»Leider nein. Er sagte, er würde noch einmal wiederkommen. Jedenfalls richtete man mir das aus. Aber das ist nicht geschehen.«
»Man richtete es Ihnen aus?«
»Ja, der Hotelangestellte, mit dem er gesprochen hatte, sagte es mir.«
»Hat mein Bruder Sie wissen lassen, wohin er ging oder wo Sie ihn treffen könnten?«
»Es hieß nur, er würde in der Nähe bleiben.«
»Aha«, murmelte Celina. Die Worte des Grafen deuteten darauf hin, dass Rio tatsächlich der Letzte gewesen war, der Denys gesehen hatte. Dieser Gedanke nagte an ihr.
Der Graf kam noch ein wenig näher. »Ich wünschte, ich könnte diese Bürde von Ihren Schultern nehmen. Als Ihr zukünftiger Gemahl würde ich Sie gern vor al-
lern Ungemach schützen. Vertrauen Sie sich mir nur an, dann werde ich Ihren Bruder schon finden und ihn zurückbringen.«
»Wirklich?« Celina erwiderte kühl seinen Blick. Warum zweifelte sie an der Aufrichtigkeit dieses blumigen Versprechens?
»Ich würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, wenn es Sie nur glücklich macht. Keine Herausforderung wäre mir zu groß.«
Celina überlegte, ob der Graf vielleicht wusste, wo sich ihr Bruder befand, und dieses Wissen erst preisgeben wollte, wenn sie einwilligte, seine Frau zu werden. Oder war es ungerecht, ihm eine derartige Boshaftigkeit zuzutrauen? »Ich danke Ihnen, Monsieur«, sagte sie vorsichtig. »Aber ich habe meine Meinung nicht geändert.«
Der Graf machte einen letzten Schritt auf Celina zu, plumpste vor ihr auf die Knie, packte sie am Unterarm und umschloss schließlich ihre Finger mit seiner feuchten Hand. »Holde Celina, bitte seien Sie nicht so abweisend, ich flehe Sie an! Ich bereue zutiefst, dass ich bei unserem letzten Treffen einen Augenblick lang meine guten Manieren vergessen habe. Meine Gefühle haben mich überwältigt. Es tut mir Leid, wenn ich damit eine empfindsame junge Dame schockierte. Ich habe meinen Fehler eingesehen und bitte um Vergebung.«
»Graf de Lerida, ich bitte Sie, stehen Sie auf.« Celina versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen, aber er hielt sie fest zwischen den seinen und drückte sie an seine Stirn.
»Bitte seien Sie nicht so grausam. Sie dürfen sich nicht von mir abwenden. Tiefe Reue und die Angst, Ihre
Achtung vor mir zerstört zu haben, lasten seit jenem Vorfall schwer auf mir. Bitte lassen Sie mich wenigstens hoffen. Sagen Sie mir, dass Sie mir vergeben und über eine Einwilligung in unseren Bund nachdenken.«
Celina war die ganze Situation furchtbar
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