Raecher des Herzens
Celina, und die beiden wuchsen gemeinsam auf, schliefen im selben Zimmer, heckten zusammen allerhand Streiche aus und standen sämtliche Kinderkrankheiten zur selben Zeit durch. Bis zu dem Tag, an dem Celina in die Schule der Ursulinerinnen geschickt wurde, unterrichtete man sie zu Hause gemeinsam. Bei den Nonnen sollte Celina vor allem Musik und Gesang, die Führung eines Haushalts und das Anfertigen feiner Handarbeiten erlernen. Wochenlang vergossen die beiden Mädchen bittere Tränen, wenn Celina zur Schule gebracht wurde. Leibliche Schwestern konnten einander kaum näher stehen.
Suzette schlief längst nicht mehr in dem Kasten, den man unter Celinas Himmelbett hervorziehen konnte. Doch noch immer kümmerte sie sich um Celinas Schlafzimmer, ihre Kleider, ihre Frisur und ihr Wohlergehen. Ein heimlicher Besucher konnte ihr somit unmöglich verborgen bleiben. Für das Treffen mit Rio de Silva brauchte Celina also die Hilfe und Unterstützung ihrer Zofe.
Suzettes hellbraunes Gesicht färbte sich dunkelrot, während sie Celinas Erläuterungen lauschte. Als Celina geendet hatte, stemmte Suzette die Hände in die Hüften. »Er ist der Teufel in Person!«
»Schon möglich«, sagte Celina. »Obwohl ich glaube ...«
»Was?«
»Dass das, was er im Sinn hat, nicht ausschließlich teuflisch ist.« Sie ließ sich von Suzette das Korsett über den Kopf ziehen.
»Wie meinst du das?«
»Ich glaube, es ist ihm wichtiger, dem Grafen zu schaden, als in mein Schlafzimmer vorzudringen.«
Suzette legte das Korsett beiseite und holte das Nachthemd aus besticktem Leinen. Sie hielt es Celina so hin, dass diese in die weiten, langen Ärmel schlüpfen konnte. »Und das imponiert dir?«
»Nun, ich muss zugeben, sehr schmeichelhaft finde ich es nicht.« Celina befreite ihren Kopf aus den Falten des Leinenstoffes und lächelte.
»Du kannst von Glück sagen, dass er sein Vorhaben nicht gleich in seinen Räumlichkeiten in die Tat umgesetzt hat. Es war mehr als töricht, ihn aufzusuchen. Aber wann hast du schon je auf mich gehört?«
»Das tue ich oft, und du weißt es auch. Außerdem kann ich beschwören, dass zwischen uns nichts Unschickliches vorgefallen ist.«
»Höre ich etwa Enttäuschung in deiner Stimme?«
»Wenn du es genau wissen willst: Ich hatte furchtbare Angst. Aber Monsieur de Silva ist genau das, was man von ihm behauptet: ein Gentleman und ein großer Fechtmeister. Wenn er zu einem Duell antritt, dann tut er es mit kühlem Kopf. Er plant seine Schritte und ist nicht darauf aus, die Herzen von Männern oder Frauen zu brechen.«
Suzette stieß eine leise Verwünschung aus, strich die Falten des Nachthemdes glatt und stellte sich dann neben Celinas Frisiertisch. »Du sprichst von dem Mann, der Unmögliches von dir verlangt, damit er das Leben deines Bruders verschont! Und da soll ich mich blind und taub stellen?«
»So schlimm wird es schon nicht werden.«
»Nein, nein, ganz sicher nicht. Er wird dir den Hof machen, dir Liebesbriefe schreiben, kleine Liebesgaben schicken und dir süße Komplimente ins Ohr flüstern. Du kannst nicht so dumm sein, das zu glauben.«
»Wann durfte ich je auf diese Dinge hoffen? Wann wurden sie mir je zuteil?« Celina setzte sich an den Frisiertisch und warf ihrer Zofe im Spiegel einen düsteren Blick zu. »Wie der Graf um mich wirbt, ist dir ja bekannt.«
Suzette studierte das Gesicht ihrer Herrin mit nachdenklicher Miene. Sie wussten beide, dass Celinas Debüt im Opernhaus, auf den Bällen und Festen der winterlichen Saison des Visites ganze drei Jahre später stattgefunden hatte als üblich. Erst hatte sie die Trauerzeit für ihren älteren Bruder abwarten müssen, dann waren die Mutter und die jüngere Schwester gestorben. Inzwischen näherte sich Celina bereits dem Alter, in dem eine Frau ihr Korsett verbrennen konnte und sich darauf einrichten musste, ihre Tage als alte Jungfer zu beschließen. Doch zum allgemeinen Erstaunen der besseren Gesellschaft hatte sie gleich zu Anfang ihrer ersten Saison die Aufmerksamkeit eines spanischen Adeligen erregt, von dem gerade die ganze Stadt sprach. Er würde wohl den größten Teil der Saison in New Orleans verbringen.
Eine romantische Ader schien der Graf allerdings nicht zu besitzen. Als er bei Celinas Vater vorsprach, hatten sie und der Edelmann kaum ein Dutzend Worte gewechselt - noch dazu ausschließlich in der Öffentlichkeit. Das einzige Kompliment, das sie bis jetzt von ihm zu hören bekommen hatte, galt ihrer guten körperlichen
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