Raecher des Herzens
Verfassung. Er befand sie offenbar für geeignet, ihm den Erben zu gebären, den seine beiden verstorbenen Ehefrauen ihm vorenthalten hatten. Die Hochzeit wäre gleich an Ort und Stelle bei einem Glas Branntwein arrangiert worden, hätte es nicht eine gewisse Unstimmigkeit gegeben. Celinas Vater bestand darauf, dass ein großer Teil ihrer Mitgift ihr auch weiterhin ausschließlich selbst gehören sollte. Dem Grafen missfiel das. Zähe Verhandlungen folgten.
»Das ist nun einmal der Lauf der Welt«, sagte die Zofe seufzend. »Ein Mann ehrt seine Gattin und verwöhnt seine Geliebte, während die Frau ihren Gatten ehrt und ihre Kinder liebt.«
»Ja, und offenbar gehört es auch zum Lauf der Welt, dass junge Männer unter den berüchtigten Eichen von Allard reihenweise ihr Leben lassen. Aber Denys wird nicht dazu gehören, wenn ich es verhindern kann.«
»Gegen den Tod anzukämpfen, ist sinnlos, Mam’zelle. Man kann ihn nicht aufhalten, ganz gleich, wie sehr man es versucht.« Suzette befeuchtete ein Tuch, damit sich Celina Reispuder und das Karminöl, die einzige Schminke, die sie verwendete, abwischen konnte.
Celina nahm das Tuch, wich jedoch Suzettes Blick aus, denn sie war sicher, sie würde Mitleid und Bedauern darin lesen. Suzette wusste schließlich nur zu gut, was Celina in den vergangenen Jahren durchgemacht hatte. »Ich habe mein Wort gegeben. Nun ist es zu spät.«
»Ich frage mich ...«, begann Suzette.
Ein leises Klopfen an der Tür ließ sie innehalten. Unmittelbar darauf steckte eine ältere Frau den Kopf ins Zimmer. Sie trug eine spitzenbesetzte Nachthaube, unter der ihre Locken wie silberne Drähte hervorquollen. Sie war klein und rundlich und hatte freundliche Augen. Ihre schrille Stimme erinnerte an das Zirpen einer Grille.
»Oh wie gut, chere. Ich habe Stimmen gehört. Gelobt seien die Heiligen, dass ihr wieder da seid. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.«
»Das tut mir Leid, Tante Marie Rose«, sagte Celina. »Aber wir sagten doch, wir würden nicht lange ausbleiben.«
»Ja, aber ich bin sicher, dein Vater hätte es nicht gern gesehen, dass ihr den Krankenbesuch bei Felicite Parmentier ohne mich gemacht habt. Es ist meine Pflicht, auf euch zu achten.« Händeringend betrat die ältere Dame das Zimmer.
»Und dir dabei einen ansteckenden Husten einzufangen? Du weißt, wie empfindlich du bist. Außerdem sind wir ja wohlbehalten zurückgekehrt. Du kannst also beruhigt zu Bett gehen, liebe Tante.«
»Und wie geht es der armen Felicite?«
»Schon viel besser«, antwortete Celina mit Bestimmtheit. Der Vorwand, den sie benutzt hatte, um nach dem Besuch der Opernaufführung im Theatre d’Orleans den wachsamen Augen ihrer Tante zu entkommen, war nicht allzu weit hergeholt. Sie hatte tatsächlich einen Augenblick lang mit der Mutter ihrer Freundin gesprochen. Gern hinterging Celina die Tante nicht.
»Denys ist offenbar nicht mit euch zurückgekommen. Ich habe gerade einen Blick in sein Zimmer geworfen, und das Bett war leer.«
Ihr Bruder schlief außer Haus, damit sich wegen seiner Verabredung im Morgengrauen niemand Sorgen machte. Aber Celina wusste, was sie sagen sollte, wenn jemand nach ihm fragte. Nun war sie froh über seine Anweisungen, denn mit ihrer Hilfe konnte sie den Eindruck erwecken, er sei noch bei ihr gewesen, nachdem sie Tante Marie Rose nach Hause geschickt hatte. »Denys hat vor der Oper Hippolyte Ducolet getroffen. Nachdem sie uns sicher hierher zurückgebracht hatten, wollten sie gemeinsam zu einem Hahnenkampf gehen. Und sicher ist anschließend in Ducolets Junggesellenwohnung noch ein Bett für Denys frei.«
»Ein wirklich ausnehmend netter junger Mann, dieser Hippolyte. Seine Mutter kann stolz auf ihn sein.« Tatsächlich war Hippolyte ein Dandy, der das Leben in vollen Zügen genoss und nur selten vor Tagesanbruch zu Bett ging. Wahrscheinlich hatte Denys ihn deshalb zu seinem Sekundanten erkoren. Er selbst verschlief nämlich regelmäßig und brauchte jemanden, der ihn rechtzeitig für seine Verabredung unter den Eichen weckte.
»Ich weiß deine Sorge um uns zu schätzen«, sagte Celina. »Aber solltest du nicht längst im Bett sein? Du willst doch morgen zum Nähen für die Waisen von St. Joseph gehen!«
»Ja, das stimmt. Aber ich fühle mich so unwohl, dass ich mich vielleicht entschuldigen werde. Es ist wieder meine Leber. Ich hätte auf die Birnentörtchen nach dem Abendessen verzichten sollen. Sie bekommen mir nicht.«
Das entsprach der Wahrheit, doch die Tante
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