Raecher des Herzens
Rios Schulter?«
»Die Wunde scheint recht tief zu sein. Ich glaube, sie tut weh und könnte Rio auch behindern.«
»Und trotzdem will er das Duell wagen? Das ist Selbstmord!«
»Warum sagst du das?« Die Angst ließ Celinas Stimme schrill werden.
»Es heißt, Pasquale wisse mit der Klinge umzugehen wie kaum ein Zweiter. Außerdem kämpft er in der Position Sinister.«
»Was, um Himmels willen, heißt denn das nun wieder?«
»Er führt den Degen mit der linken Hand. Das gibt ihm einen Vorteil, weil sein Gegner zur Verteidigung eine ungewohnte Haltung einnehmen muss. Ein solches Duell kann doppelt so anstrengend sein wie ein vergleichbarer Kampf gegen einen Rechtshänder. Allerdings muss der Linkshänder seinem Gegner zwangsläufig auch die linke Seite bieten. Damit kann er sich leicht einen tödlichen Stich ins Herz einfangen.«
»Eine interessante Vorstellung.« Celina verzog das Gesicht.
»Du wolltest es wissen.«
Das stimmte, aber inzwischen bereute Celina, dass sie nachgefragt hatte. »Das Duell muss doch irgendwie zu verhindern sein.«
»Ich glaube nicht, dass du dich in die Angelegenheit
einmischen solltest«, sagte ihr Bruder mit einem warnenden Unterton in der Stimme.
»Wahrscheinlich hast du Recht.« Celina wandte sich ab. »Der Gedanke an das Duell ist mir unerträglich, aber gleichzeitig wünschte ich ...«
»Ich auch. Meinst du, ich kann morgen schon aufstehen? Ich würde gern in der Kutsche hinaus zu den Eichen fahren und zuschauen.«
Celina fuhr herum. »Das darfst du auf keinen Fall tun!«, rief sie. »Der Arzt sagt, du musst dich schonen, sonst kannst du Gehirnfieber bekommen.«
Denys verzog das Gesicht und seufzte. »Das sollte ich vielleicht lieber nicht riskieren. Aber ich würde alles darum geben, mir dieses Duell ansehen zu können oder wenigstens aus erster Hand zu erfahren, was sich abgespielt hat.«
Celina sah ihn lange an. »Ich könnte ja für dich hingehen.«
»Unmöglich. Das schickt sich nicht für eine Frau. Außerdem würde der Kutscher dich ohne Papas Einwilligung niemals fahren.«
»Es gibt noch andere Möglichkeiten, zum Kampfplatz zu gelangen.«
»Sprichst du etwa von einer Mietdroschke? Was weißt du denn von solchen Dingen?«
»Das muss dich nicht kümmern. Wir haben ohnehin schon viel zu lange geredet. Ruh dich jetzt ein bisschen aus.«
Denys zog ein unglückliches Gesicht. »Wie kann ich das, wo ich doch weiß, dass du wieder einmal etwas Unerhörtes ausbrütest?«
»Es ist ja nur eine Idee. Wahrscheinlich wird gar nichts daraus«, sagte Celina beschwichtigend.
»Lina?«
»Bitte belehr mich nicht, Din-Din. Von meinem Gatten werde ich mir noch genug gute Ratschläge anhören müssen.«
Wie Celina gehofft hatte, schnappte Denys nach dem Köder. »Dein Gatte? Heißt das, du hast diesen unsäglichen Vertrag unterschrieben?«
»Ich habe mich in mein Schicksal gefügt«, antwortete Celina. »Ich dachte, du fändest das richtig.«
Während der Diskussion, die sich nun entspann, schien Denys zu vergessen, dass sie zu dem Duell fahren wollte. Aber Celina ging der Gedanke nicht mehr aus dem Kopf.
Im Morgengrauen die Außentreppe hinunterzuschleichen war schwieriger als erwartet. Celina musste die Stufen so schnell wie möglich überwinden, durfte dabei aber kein Geräusch verursachen. Dass der Bruder, der Vater oder gar die Tante erwachen könnten, fürchtete sie nicht. Aber die Köchin und Mortimer waren möglicherweise schon auf den Beinen und gingen ihren Pflichten nach. Auf keinen Fall wollte sie ins Haus zurückgescheucht werden wie ein unartiges Kind.
Doch in den Quartieren der Dienstboten regte sich nichts. Niemand schlug Alarm. Gemeinsam mit Suzette schlüpfte Celina durch die Pforte. Nur ein streunender Hund und zwei Choctaw-Indianerinnen, die Körbe zum Markt schleppten, um sie dort feilzubieten, waren schon unterwegs. An der Kreuzung wartete wie ausgemacht die Mietdroschke. Die Frauen sprangen in den Wagen, und der Kutscher schwang die Peitsche.
Die holprige Fahrt zu den Eichen von Allard dauerte eine Ewigkeit. Über dem Fahrweg hing dichter Nebel, der alle Geräusche verschluckte. Doch die Feuchtigkeit drang in die Kutsche ein. Drinnen roch es nach einer Mischung aus Tabak, Schweiß und etwas Säuerlichem, das den Gedanken nahe legte, einer der letzten Fahrgäste könne so betrunken gewesen sein, dass er sein Abendessen nicht bei sich behalten hatte. Auch die Kälte des Wintermorgens kroch bald zu den Frauen hinein. Doch Celina wusste, dass sie
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