Raecher des Herzens
Während er sprach, half er Suzette die Stufe hinauf.
»Ich gönne Ihnen Ihr Glück von Herzen«, sagte Celina leise. »Aber Sie wissen, dass noch nicht eindeutig geklärt ist, ob Suzette tatsächlich freikommt.«
»Sie haben getan, was Sie konnten, und es ist mehr, als wir je erwarten durften.« Olivier legte sich die Hand auf die Brust. »Ich würde gern noch vieles andere sagen - alles, was in meinem Herzen ist. Aber ich finde keine Worte dafür, und jetzt ist auch nicht die Zeit für lange Reden.«
Hinter ihm traten Rio und Pasquale bereits auf die markierte Rasenfläche. »Ja, Sie müssen gehen. Nur einen Augenblick noch. Was wissen Sie über diesen Pasquale?«
Olivier presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Dann sagte er zögernd: »Er ist ein Mann, dem man auf der Kampfbahn mit Respekt begegnen muss. Ich habe ihn bis jetzt noch nicht fechten sehen. Aber es heißt, sein Degen sei todbringend.«
Denys hatte also Recht gehabt. Celina war alles andere als beruhigt. »Ist er tatsächlich so gut, wie man behauptet?«
»Ja, das ist er wohl. Aber Monsieur Rio ist der Beste von allen.«
»Aber er ist verletzt. Wird er dennoch bestehen können?«
»Wer weiß? Man sagt auch, Monsieur Pasquale sei ein fairer Gegner. Wir dürfen also hoffen.« Olivier hielt
inne. Auf seiner Stirn hatte sich eine steile Falte gebildet. »Es fällt mir nicht leicht, diesen Vorschlag zu machen, Mademoiselle Vallier, aber ...«
»Ja, Olivier?«
»Wollen Sie nicht lieber wieder nach Hause fahren? Jetzt gleich, bevor der Kampf beginnt?«
Celina biss sich nachdenklich auf die Unterlippe, doch dann schüttelte sie den Kopf. »Wie könnte ich das tun? Ich muss doch wissen, wie der Kampf ausgeht.«
»Monsieur Rio würde sicher nicht wollen, dass Sie sich das Duell ansehen. Nicht, wenn dieser Pasquale ihn besiegt.«
Es ging Olivier nicht nur um Sieg und Niederlage, das wusste Celina. Schon seit sie das Stadthaus verlassen hatte, hing der Gedanke, was alles geschehen konnte, wie eine dunkle Gewitterwolke über ihr. Aber jetzt davonzufahren, wäre ihr wie Verrat erschienen, so als ließe sie Rio im Angesicht des Todes im Stich. Sie würde bleiben, auch wenn sich die Angst wie ein Dolch in ihre Brust bohrte.
Celina befeuchtete ihre Lippen und sah Olivier in die dunklen Augen, die so sorgenvoll dreinblickten. »Vielleicht wird der große italienische Fechtmeister ja schon zufrieden sein, wenn er seinen Gegner bluten sieht.«
»Das wollen wir hoffen.«
»Ja«, flüsterte Celina. »Passen Sie gut auf ihn auf, Olivier.«
»Ganz wie immer, Mam’zelle.«
Olivier hatte sie absichtlich mit dem Kosenamen angesprochen, den sonst nur Suzette oder enge Verwandte benutzten. Celina war gerührt. »Danke«, sagte sie. Dabei streckte sie Olivier die Hand hin. Er ergriff sie und verbeugte sich mit vollendeter Höflichkeit. Dann wandte er sich ab und ging davon.
Als Celina ihm nachschaute, bemerkte sie, dass Rio in ihre Richtung starrte. Wahrscheinlich hatte er Suzette gesehen und ahnte, dass ihre Herrin ebenfalls zugegen war und das Duell von der Kutsche aus verfolgte. Würde ihn das eher anspornen, oder war ihre Anwesenheit eine Belastung für ihn? Celina wusste es nicht und konnte auch nur raten, was Rio von ihrem morgendlichen Ausflug hielt.
Dann hatte das Warten plötzlich ein Ende. Einer der Sekundanten trat mit dem Degen in der Hand zu den beiden Kontrahenten. Er streckte den Degen vor, und die Gegner kreuzten die Klingen darüber. »En garde!«, tönte es laut über die Lichtung.
Der Sekundant trat zurück. Dabei ließ er abrupt die Klinge sinken. Die Fechter hoben die Degen zum Gruß, dann klirrte Metall auf Metall.
Der Kampf hatte begonnen.
Achtzehntes Kapitel
Während er auf das Signal zum Anfang wartete, ließ Rio den Blick einen Moment lang zu den Zuschauern schweifen. Die Menge war beachtlich. Offenbar hatte sich die Kunde von dem Duell wie ein Lauffeuer verbreitet. Der Verdacht, dass der Graf die Werbetrommel für das morgendliche Stelldichein gerührt hatte, drängte sich auf. Ein Duell öffentlich bekannt zu machen verstieß zwar gegen die Etikette, doch der förmliche Code, dem sich die Kontrahenten unterwarfen, wurde davon nicht berührt. Rio unterstellte dem Grafen, dass dieser bestrebt war, ihn vor einem größeren Publikum von einem bezahlten Fechter demütigen zu lassen.
Grimmig dachte Rio, dass es nun an ihm lag, dafür zu sorgen, dass der Graf enttäuscht wurde.
Leicht würde der Kampf nicht werden, dessen
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