Raecher des Herzens
quietschen. Irgendwo in der Ferne schlug ein Fensterladen geräuschvoll gegen eine Hauswand. Die Kerze auf dem Nachttisch flackerte unruhig in der kalten Luft, die durch alle Ritzen drang.
»Und wenn ich es täte?« Rio verschränkte die Arme über der Brust. »Würden Sie dann hier unter Ihres Vaters Dach wohnen bleiben und sich darauf verlassen, dass er den Grafen wegschickt? Oder würden Sie immer noch nach Frankreich durchbrennen? Könnten Sie sich vorstellen, Ihr Leben als ledige Tante Ihrer zukünftigen Neffen und Nichten zu beschließen, oder wollen Sie lieber alles hinter sich lassen?«
»Wenn ich meinen Vater dazu bringen kann, die Vereinbarungen mit dem Grafen in aller Stille aufzulösen und die Einzelheiten für sich zu behalten, damit sich Denys nicht verpflichtet fühlt, Sie herauszufordern, würde ich gern hier bleiben. Ich würde als ledige Frau leben, bis ich vielleicht eines Tages jemanden finde, mit dem ich mir eine Zukunft vorstellen kann. Mehr habe ich nie verlangt.«
»Sie würden mir tatsächlich im Bett und darüber hinaus vertrauen? Der Einsatz wäre Ihre Zukunft. Sie glauben, dass ich Sie nicht zwingen würde, an meiner Seite zu leben, dass ich keinen Anspruch auf Ihren Besitz erheben würde?«
»Wenn ich Ihnen nicht trauen könnte«, sagte Celina bedächtig, »dann würden wir diese Unterhaltung nicht führen. Hätten Sie vorgehabt, mich mit Hilfe einer verwerflichen List an Sie zu binden, so hätten Sie das schon vor Tagen tun können, ohne mich vorher zu warnen.«
»Das klingt recht logisch«, sagte Rio. Dabei machte er einen raschen Schritt auf sie zu, umfasste sie mit den Armen und hob sie von den Füßen. »Aber ob es auch stimmt?«
»Monsieur!« Celina war so überrascht, dass sie beinahe vergaß, leise zu sprechen.
Rio ließ sich nicht beirren. Mit raschen Schritten trug er sie zum Bett, stieg die erste Stufe hinauf und schob mit dem Ellbogen das Moskitonetz beiseite. Dann stützte er ein Knie auf die Matratze und legte Celina sanft auf das weiche Lager. Er streckte sich neben ihr aus, hielt sie weiterhin umfangen. Schließlich richtete er sich auf einen Ellbogen auf, beugte sich über sie und starrte in ihre weit aufgerissenen Augen. Sein Blick war dunkel und herausfordernd. »Rio, nenn mich Rio«, raunte er. »Und sag niemals, ich hätte dich nicht gewarnt.«
Einen Herzschlag lang fühlte Celina die instinktive Angst, die vor jedem Schritt ins Unbekannte lauert. Das Gefühl, einen großen Fehler zu begehen, nahm ihr den Atem. Doch dann berührte im schummrigen Licht der Kerze sein Mund den ihren. Sie spürte Rios Hitze und seine Kraft, schmeckte die Süße seiner Küsse, die ihr inzwischen schon fast vertraut war. Alle Zweifel schmolzen dahin, die Angst verschwand.
Rio ließ Celina die Wärme und die Härte seines athletischen Körpers spüren. Seine Kraft umgab sie,
schenkte ihr Sicherheit. Sie fühlte Rios Herzschlag, spürte, wie seine Brust sich mit jedem Atemzug hob und senkte.
Ein leiser Schauer lief ihr über den Rücken. Überrascht stieß sie einen leisen Klagelaut aus.
»Ist dir kalt?«, fragte Rio und zog sie noch ein wenig fester an sich.
»Nein, es ist nur ...«
»Ich weiß, es sind die Nerven. Aber das wird sich bald legen.«
Rios Stimme war weich und tief. Ihr hypnotischer Unterton brachte in Celina eine Saite zum Schwingen. So wie jetzt bei ihr hatte er schon viele Male bei einer Frau gelegen. Deshalb verstand er ihre Gefühle vielleicht besser als sie selbst.
»Warst du wirklich mit so vielen Frauen zusammen, wie man sagt?« Seit er sie hochhob, hatte sich Celina am Revers seines Gehrockes festgekrallt. Nun löste sie ihren Griff und glättete das feine Tuch mit den Fingerspitzen.
»So viele waren es gar nicht. Klatschbasen übertreiben gern.«
»Mag sein. Aber sicher waren die anderen viel versierter als ich. Stört dich meine Unerfahrenheit denn gar nicht?«
»Ich glaube«, murmelte Rio, während er mit den Lippen Celinas Stirn berührte, »ich kann ausnahmsweise darüber hinwegsehen.«
»Du machst dich über mich lustig.«
»Nein, nein. Ich necke dich nur ein bisschen. Die wenigsten Männer haben etwas dagegen, der Erste zu sein.«
Rios warmer Atem kitzelte Celinas Schläfe. Bald folgten seine Lippen. Er bedeckte ihren Haaransatz und ihre Wangenknochen mit zarten Küssen. Gleichzeitig massierte er Celinas Rücken. Die rhythmische Bewegung löste die Knoten, die sich in ihrem Inneren gebildet hatten, und gab ihr das Gefühl, langsam
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