Raecher des Herzens
emporgerecktem Kinn. »Es gefällt dir, mich in der Hand zu haben.«
Rio unterdrückte mit aller Macht ein spöttisches Lächeln. »Anders kann ich dich offenbar nicht bekommen.«
»Du bist tatsächlich durch und durch ein Schuft.«
»Aber einer, der mit offenen Karten spielt, das solltest du nicht vergessen. Ein Schuft, der bereit ist, für den Lohn, der ihm winkt, alles zu wagen.«
»Erst einmal musst du meinen Bruder finden.«
Rio griff nach Celinas Hand und öffnete den kleinen Knopf, der ihre ellbogenlangen Handschuhe am Handgelenk zusammenhielt. Er drückte die Lippen auf ihre wild pochende Pulsader und ließ seine heiße Zunge einmal schnell über die zarte Haut gleiten. Dann schloss er den Knopf wieder. »Wie sollte ich ihn nicht finden, wenn die Belohnung so unwiderstehlich ist?«
Celina wandte sich ab, als wolle sie zum Haus zurückkehren. Sie raffte die Röcke, doch dann hielt sie noch einmal inne. »Wo willst du mit der Suche beginnen?«
»Wichtig ist doch nur, dass ich Denys finde.«
»Das stimmt, aber mir schien fast ... es kommt mir beinahe so vor, als hättest du eine Vermutung, wo er sein könnte.«
Wieder einmal war Rio von Celinas Beobachtungsgabe überrascht und gleichzeitig beunruhigt. »Du unterstellst mir, ich wisse bereits, wo er ist?«
»Ich unterstelle dir gar nichts«, sagte sie. Dabei sah sie ihm fest in die Augen. »Ich hoffte nur, du könntest mir etwas sagen, womit ich meine Tante ein wenig zu trösten vermag.«
»Und vielleicht auch dich selbst. Aber leider ...«
»Ach bitte! Du wirst doch wenigstens eine gewisse Vorstellung haben, wo er sein könnte. Andernfalls hättest du meine Bitte sicher rundheraus abgelehnt.«
»Dazu wäre ich nicht imstande gewesen«, entgegnete Rio leise.
Celina antwortete darauf mit einer wegwerfenden Handbewegung. Aber gleichzeitig stieg ihr die Röte in die Wangen. »Sicher hast du eine dumpfe Ahnung, wo man Denys vielleicht gefangen hält. Ich weiß nicht, warum du mir das nicht sagen möchtest. Oder erwartest du auch dafür eine Gegenleistung?«
»Was für eine wundervolle Idee! Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen?«
Rio machte einen raschen Schritt auf sie zu. Dass sie nicht vor ihm zurückwich, erfüllte ihn mit Staunen. Celina ließ die Röcke wieder fallen und stand wie erstarrt. Nun war er ihr so nahe, dass er das feine Aroma des Rosenwassers roch, welches sie umgab. Dass er den seidigen Schimmer ihrer Schultern unter dem feinen Tuch aus Chiffon erahnen konnte. Rio ballte die Hände zu Fäusten und kämpfte gegen den beinahe übermächtigen Drang an, zu berühren, zuzugreifen und zu nehmen.
»Ja, ich muss sagen, das wundert mich auch. Normalerweise hast du nichts zu verschenken.«
Celinas Worte trafen Rio genauso heftig, wie sie es beabsichtigt hatte. »Dieser Garten ist nicht übel«, raunte er. Celina schien es fast, als knurre er sie an wie ein feindseliger Wolf. »Aber hier fehlt es an Bequemlichkeit. Wenn wir uns lieben, will ich dich nackt vor einem Feuer liegen sehen, will eine verschlossene Tür zwischen uns und der Welt wissen. Es soll kein hastiges Zerren und Grapschen sein, sondern eine lange Nacht voller Küsse, süßer Seufzer, zärtlicher Berührungen und endloser Vereinigungen. Alle Konventionen und Schranken werden fallen. Die Gesellschaft verlangt von Männern und Frauen, sich zu verstellen. Aber für uns will ich nur das Echte, Wahre. Ich will süße Lust und ehrliche Leidenschaft. Ich will...« Rio brach ab. Er fürchtete, schon viel zu viel von dem preisgegeben zu haben, was er sich so sehnlich wünschte. Dabei durfte er sich doch nur wenig erhoffen.
Lange schwiegen sie beide. Dann atmete Celina so tief durch, als habe sie die ganze Zeit über die Luft angehalten. Sie schlug die Augen nieder und sagte: »Nun gut. Ich bete, dass du meinen Bruder findest. Solltest du dafür Orte aufsuchen müssen, an denen Gefahren lauern, so bitte ich dich, sei vorsichtig. Ich habe großes Vertrauen in deine Kraft und deine Fähigkeiten. Aber kein Mensch ist unverletzlich. Du hast dir erst vor ein paar Tagen eine Stichwunde zugezogen, die schwer auf meinem Gewissen lastet, und ich möchte nicht, dass dir noch einmal etwas zustößt.«
Rio fand vor Staunen keine Worte. Ein Ruf aus der Nähe durchbrach die Stille. »Celina? Ma chere, wo bist du denn?«
»Hier, Tante Rose!«, rief sie schnell. Nach einem letzten langen Blick in Rios Augen wandte sich Celina um, verließ den schützenden Schatten der Laube und eilte die
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