Rächerin der Engel
sich und folgte ihr. Nach einer Weile gesellte sich Antonia zu ihr.
Bree öffnete den Kühlschrank und holte verschiedene Dinge heraus, die sie auf dem Küchentresen ausbreitete. Italienische Salami. Joghurt. Die letzten Scheiben eines Mehrkornbrots aus der Bäckerei in der Bull Street. Ein Glas mit süß eingelegten Pickles. Sie hasste süß eingelegte Pickles.
»Lass mich mal.« Antonia drückte Bree auf einen Küchenstuhl und nahm ihr ein Glas mit Pesto aus der Hand. »Zuerst mach ich uns eine Tasse Chai. Dann beleg ich uns beiden ein Sandwich. Gestern habe ich auf dem Markt Brunnenkresse gekauft, die passt wunderbar zur Salami. Wirst schon sehen.« Während Antonia den elektrischen Wasserkocher einschaltete, Teller und Tassen aus dem Schrank holte und den Tee zubereitete, plauderte sie munter weiter. Bree hörte ihr zu und übte sich in Geduld. Als ihr improvisiertes Abendessen schließlich fertig war, fragte sie: »Worum geht es bei alldem denn nun wirklich?«
Antonia legte ihr Sandwich zurück auf den Teller. »Du jagst mir Angst ein.«
Dann fügte sie hinzu: »Irgendwie erinnerst du mich an die Körperfresser in diesem Film.«
Und schließlich sagte sie: »Ich weiß nicht mehr, wer du bist.«
Bree starrte ihr Sandwich an. Sie war nicht hungrig. Sie war schon lange nicht mehr richtig hungrig gewesen. Und sie konnte sich auch nicht mehr erinnern, wann sie zum letzten Mal nachts gut geschlafen hatte.
Bevor sie zu Bett ging, betrachtete sich Bree eine Zeitlang im Badezimmerspiegel. Sie war dünner geworden, das ließ sich nicht leugnen. Ihre Wangenknochen standen vor. Die Haut um ihre Augen spielte ins Silbergraue. Sie blickte zu Sascha hinunter, dessen Anwesenheit sie immer beruhigte.
Alles hat seinen Preis. Nichts geschieht, ohne dass es etwas kostet.
Und was hatte Antonia gesagt? Wie lange ist es her, seit du ein richtiges Date hattest? Wie ein normaler Mensch ausgegangen bist? Ein normales Leben geführt hast? Du willst, dass ich den Mund halte? Gern. Aber dann fang an, wie ein Mensch zu leben.
»Dieser Fall wird ein paar Wochen dauern«, teilte Bree dem Spiegel mit. »Danach werde ich über alles nachdenken.«
Sascha, der zu ihren Füßen lag, seufzte und wandte den Blick ab.
Du solltest dich jetzt fragen: »Hab ich Glück?«
Na, was meinst du, du Mistkerl?
H. J. Fink, R. M. Fink und D. Riesner, Dirty Harry
»Früher oder später werden wir ohnehin ein Zweitbüro eröffnen müssen«, teilte Bree ihren Angestellten am frühen Montagvormittag mit, »und das ist vielleicht der günstigste Zeitpunkt dafür.« Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl hin und her. Sie hatte wieder nicht gut geschlafen. Es kam ihr so vor, als hätte sie schon seit Wochen nicht gut geschlafen.
»Die werden aber eine hohe Miete verlangen, diese Leute«, sagte Lavinia. »Falls Sie von Franklins altem Büro reden. Was Preiswerteres als dies hier werden Sie nicht finden.«
»Stimmt schon«, erwiderte Bree. »Aber dafür ist es ein normales Büro, nicht wahr? Ich meine, dort können mich meine Freunde und meine Familie besuchen, einfach weil sie in der Lage sein werden, es zu finden. Weil sie hereinkommen, sich einfach hinsetzen und eine Tasse Kaffee trinken können. Und ich hätte dann auch wieder so was wie ein normales Leben.«
»Ah«, sagte Petru.
»Oje«, meinte Ron. »Setzt Ihnen ganz schön zu, was? Dieses Leben. Beaufort & Compagnie.«
Ihre Hauswirtin gab einen missbilligenden Laut von sich – Bree hoffte, dass er den voraussichtlichen Kosten für das neue Büro und nicht ihrem Versuch galt, ein bisschen Freiheit zu gewinnen – und schob das Sahnekännchen in Brees Reichweite.
Die vier saßen an dem langen Eichentisch, der in dem kleinen Konferenzraum ihrer Kanzlei in der Angelus Street stand.
Bree hatte das Erdgeschoss des zweihundert Jahre alten Hauses gemietet, und die Miete war, wie Lavinia ihr gerade in Erinnerung gerufen hatte, in der Tat äußerst niedrig. Das Haus stand mitten auf Georgias einzigem Friedhof für Mörder. Ungeachtet der Tatsache, dass sich das Grundstück in der Nähe des Savannah und in einer begehrten Wohngegend befand, wirkte es mit seinen von Unkraut überwucherten Gräbern und den ungesund aussehenden Eichen ganz entschieden abstoßend. Bree fragte sich manchmal, warum sie überhaupt Miete bezahlen musste, da die Kanzlei doch ohnehin nur für Tote zuständig war. Ihr fehlte allerdings der Mut, Lavinia direkt darauf anzusprechen. Desgleichen zahlte sie Ron und Petru weiterhin ihr
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