Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rächerin der Engel

Rächerin der Engel

Titel: Rächerin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
Vom Netzwerk:
was mit seinem Selbstmord zusammenhängt. Er hat sich in New York umgebracht, in ihrem Penthouse. Das Gebäude liegt, glaube ich, in der Nähe vom Central Park, mehr weiß ich nicht. Ich wäre Ihnen also sehr dankbar, wenn Sie im Internet recherchieren und eine Akte anlegen würden. Ron? Wir zwei sollten ins Archiv des Himmlischen Gerichtshofs gehen und mit Goldstein sprechen. Wir brauchen eine Kopie des Einspruchs, der eingelegt worden ist.«
    »Kann ich heute was für Sie tun?«, fragte Lavinia in hoffnungsvollem Ton. Ihre Hauswirtin war winzig. Bree vermutete, dass sie nicht mehr als neunzig Pfund wog, und ihre Knochen wirkten so fragil wie die eines Vögelchens. Sie trug wie gewöhnlich einen langen Rock, eine schäbige Strickjacke und eine Bluse aus weichem, gemustertem Stoff. Ihr weißes Haar umrahmte ihr mahagonifarbenes Gesicht wie ein Heiligenschein. »Ich dachte, Sascha könnte vielleicht mal ein Bad vertragen.«
    Bree warf einen Blick auf ihren Hund. Nach der gestrigen Auktion hatte Bree mit ihm einen schönen langen Spaziergang am Fluss gemacht. Er hatte es in der Tat nötig, gewaschen und gebürstet zu werden. »Gute Idee.«
    Sascha hob den Kopf und sah Bree vorwurfsvoll an.
    »Das wäre also abgemacht«, sagte Lavinia mit einem zufriedenen Seufzen. »Meine Kleinen will ich heute auch gründlich abschrubben. Hinterher wird er dann wunderbar duften.«
    Welcher Art Lavinias Kleine eigentlich waren, entzog sich Brees Kenntnis. Saschas Gesichtsausdruck schien jedoch zu sagen, dass sie weit unter einem so vornehmen Hund wie ihm standen. Doch gutmütig, wie er war, erhob er sich und trottete zu Lavinia.
    Bree nahm ihre Aktentasche an sich und folgte Ron in die Eingangshalle, ohne auch nur einen einzigen Blick auf das furchterregende Gemälde zu werfen, das im Wohnzimmer über dem Kamin hing. Es zeigte ein von Toten und Sterbenden umgebenes Schiff, das sich durch ein aufgewühltes Meer pflügte. Das Gemälde erinnerte an die Aufgabe, die sie und die Compagnie zu erfüllen hatten. Trotzdem verabscheute sie es. Auf dem Weg zur Haustür blieb sie stehen, um die Engel zu betrachten, mit denen die in den ersten Stock führende Treppe bemalt war. Während ihr der Aufstieg des Kormorans Angst einjagte, wurde ihr beim Anblick der farbenfrohen Renaissance-Engel stets froh zumute. Die Gestalten hatten Flügel von der Farbe getriebenen Goldes und waren mit scharlachroten, purpurnen, türkisfarbenen und samtbraunen Gewändern bekleidet. Ihre Köpfe waren von strahlenden Heiligenscheinen umgeben. Der Engel am Fuße der Treppe, der ein kardinalrotes Brokatgewand trug, hatte – wie Bree – einen Haarkranz aus weißblonden Zöpfen. Neben ihm tänzelte ein kleines, windhundartiges Wesen.
    »Sieht nach Regen aus«, sagte Ron von der Tür her. »Wollen Sie zu Fuß gehen oder fahren?«
    Bree spähte nach draußen. Das Archiv des Himmlischen Gerichtshofs befand sich im sechsten Stock des fünfstöckigen Gerichtsgebäudes von Chatham County, das ungefähr zehn Blocks von ihrem Haus entfernt stand. Bree ging gern zu Fuß, besonders an kühlen Novembertagen. Die Altstadt Savannahs war ihrer Meinung nach eine der schönsten Ecken der Welt, so dass man bei einem Spaziergang unendlich viele interessante Dinge zu sehen bekam. Andererseits war der Himmel über dem Fluss mit Wolken bezogen, die Luft roch nach Regen.
    »Lassen Sie uns lieber fahren.« Ihr Auto parkte direkt vor dem Haus an der Bordsteinkante. Während sie hinter Ron den Weg entlangging, der von der Veranda zur Straße führte, blickte sie automatisch starr geradeaus. Unter der sterbenden Eiche, die in der Mitte des Friedhofs stand, klafften die leeren Gräber der Pendergasts, und Bree musste stets damit rechnen, etwas aus der Tiefe auftauchen zu sehen.
    Sie nahm auf dem Fahrersitz Platz. »Wir sollten bald etwas gegen diese Pendergasts unternehmen«, beklagte sie sich bei Ron. »Ich kann nicht jedes Mal, wenn ich ins Haus gehe oder es verlasse, wie eine verängstigte Ratte den Weg entlanghuschen.«
    Ron sah sie fragend an. Sein feines blondes Haar fiel ihm in die Stirn, seine hellblauen Augen blickten unschuldsvoll drein. »Warum denn nicht? Im Moment ist mit den Pendergasts nicht zu spaßen. Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, aber ich bin sogar noch schneller gehuscht als Sie.«
    Bree ließ den Motor an. »Das ist aber nicht … würdevoll.«
    »Von mir aus können Sie sich gern würdevoll von einer verfaulten Leiche an irgendeinen grässlichen Ort schleppen

Weitere Kostenlose Bücher